Neuigkeiten - Recht

Anfechtung erfolglos: Erbschaftsausschlagung hat bei unbeachtlichem Motivirrtum Bestand

Die Erbschaft geht auf den Erben kraft Gesetzes über. Will ein Erbe dies verhindern, besteht die Möglichkeit, sie auszuschlagen. Ist die Ausschlagung erfolgt, kann sie nur in sehr engen Grenzen angefochten werden, beispielsweise wenn der Ausschlagende sich bezüglich einer Überschuldung geirrt hat. Eine solche Konstellation war auch Gegenstand einer Entscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG).

Die Erbschaft geht auf den Erben kraft Gesetzes über. Will ein Erbe dies verhindern, besteht die Möglichkeit, sie auszuschlagen. Ist die Ausschlagung erfolgt, kann sie nur in sehr engen Grenzen angefochten werden, beispielsweise wenn der Ausschlagende sich bezüglich einer Überschuldung geirrt hat. Eine solche Konstellation war auch Gegenstand einer Entscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG).

Der Erblasser war im August 2021 verstorben. Unmittelbar nach dem Tod schlugen mehrere Kinder sowie weitere Abkömmlinge des Erblassers die Erbschaft aus. Die Tochter des Erblassers begründete dies unter Berufung auf "Schulden/private Gründe". Einen Monat nach der Ausschlagungserklärung erklärte sie jedoch die Anfechtung der Ausschlagung und begründete diese damit, dass sie irrtümlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Diese Annahme habe sie aufgrund einer Äußerung ihres Bruders getroffen, wonach der Erblasser kein Vermögen hinterlassen habe. Erst später habe sie durch eigene Recherchen festgestellt, dass der Erblasser bis zu seinem Tod in einem eigenen Haus gelebt habe.

In dem folgenden Erbscheinsverfahren stellte das OLG fest, dass die Tochter keine wirksame Anfechtung ihrer Ausschlagungserklärung abgegeben hatte. Voraussetzung für eine solche Anfechtungserklärung ist ein beachtlicher Irrtum - beispielsweise aufgrund einer unrichtigen Vorstellung über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Diese Fehlvorstellung muss aber auf für den Erklärenden zugänglichen Informationen beruhen. Eine bloße spekulative Einschätzung oder eine pauschale Befürchtung, der Nachlass könne überschuldet sein, reiche hierfür nicht aus. Die Tochter habe nicht aufgrund von konkreten Aussagen oder überprüfbaren Tatsachen die Ausschlagung der Erbschaft erklärt, sondern vielmehr aufgrund von vagen Annahmen bzw. pauschalen Vermutungen die Erklärung abgegeben. Dies sei als Grundannahme für einen Irrtum im rechtlichen Sinn nicht ausreichend.

Hinweis: Sowohl vor Erklärung einer Ausschlagung als auch vor der Erklärung einer Anfechtung dieser Ausschlagung müssen ernsthafte Bemühungen unternommen werden, den tatsächlichen Bestand des Nachlasses zu ermitteln.


Quelle: Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.03.2025 - 8 W 20/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Künstliche Befruchtung: Klinik muss kryokonservierte Spermien des verstorbenen Ehepartners herausgeben

Das Leben schreibt die schönsten, aber auch die tragischsten Geschichten. Wie im Fall des Landgerichts Frankfurt am Main (LG), in dem ein Ehepaar durch Kryokonservierung der männlichen Spermien Vorsorge für die Familienplanung treffen wollte und dann der Mann plötzlich verstarb. Wie war seitens der Klinik nun mit den Spermien zu verfahren?

Das Leben schreibt die schönsten, aber auch die tragischsten Geschichten. Wie im Fall des Landgerichts Frankfurt am Main (LG), in dem ein Ehepaar durch Kryokonservierung der männlichen Spermien Vorsorge für die Familienplanung treffen wollte und dann der Mann plötzlich verstarb. Wie war seitens der Klinik nun mit den Spermien zu verfahren?

Zu Lebzeiten hatte der Ehemann mit der Klinik einen Vertrag geschlossen, der vorsah, dass das konservierte Spermamaterial nach seinem Tod zu vernichten sei. Die Ehefrau verlangte nun aber die Herausgabe der Spermien. Die Klinik verweigerte die Herausgabe. Dies widerspräche dem Vertrag, aber auch dem Embryonenschutzgesetz (ESchG). Dieses verbiete die künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen. Durch die Herausgabe könnten sich Mitarbeiter der Klinik strafbar machen.

Die Witwe zog daraufhin vor Gericht und bekam im Rahmen eines Eilverfahrens auch Recht. § 4 ESchG verbiete zwar, nach dem Tod eines Mannes eine Eizelle mit dessen Samen zu befruchten. Hier verlangte die Witwe aber gar keine Befruchtung, sondern lediglich die Herausgabe. Auch die vertraglich mit dem verstorbenen Ehemann vereinbarte Klausel zur Vernichtung des Keimmaterials nach seinem Tod greife hier nicht. Denn die hinterbliebene Ehefrau habe schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass sich der Kinderwunsch der Eheleute individuell und losgelöst vom Vertrag weiterentwickelt habe. Bis zu seinem Tod hatte der Mann einen eindeutigen Kinderwunsch. Die Witwe konnte zur Überzeugung des LG darlegen, dass ihr Ehemann vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas wirksam eingewilligt habe.

Hinweis: Im Prinzip hat das LG dem Grundrecht des Mannes auf reproduktive Autonomie entsprochen. Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass eine Klinik in ähnlichen Fällen die konservierten Spermien immer herausgeben muss. Hier konnte sich die Ehefrau nur durchsetzen, weil sie eindeutig belegen konnte, dass sie ausdrücklich im Willen des Verstorbenen gehandelt hat.


Quelle: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.02.2025 - 2-04 O 29/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Neues zu Nachtzuschlägen: BVerfG stärkt Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Urteil die Tarifautonomie gestärkt. Denn dem, was die Kollegen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch als rechtens ansahen - und zwar eine rückwirkende Anpassung zugunsten von Arbeitnehmern -, konnte der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen. Was Arbeitgeber und Gewerkschaft vereinbaren, kann ein Gericht nicht ohne weiteres ändern.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Urteil die Tarifautonomie gestärkt. Denn dem, was die Kollegen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch als rechtens ansahen - und zwar eine rückwirkende Anpassung zugunsten von Arbeitnehmern -, konnte der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen. Was Arbeitgeber und Gewerkschaft vereinbaren, kann ein Gericht nicht ohne weiteres ändern.

Ein Arbeitnehmer, der regelmäßig in Nachtschicht arbeitete, hatte geklagt. Denn nach den auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträgen gab es einen Zuschlag von "nur" 25 % bei regelmäßiger Nachtarbeit und 50 %, wenn außerhalb von Schichtdiensten nur gelegentlich nachts gearbeitet werde. Der Arbeitnehmer zog bis vor das BAG und bekam dort sogar Recht; die Tarifverträge wurden für unwirksam erklärt. Die Folge war, dass die Arbeitgeber höhere Zuschläge zahlen mussten. Eben dies wollten sich die Arbeitgeber nicht gefallen lassen und zogen vor das BVerfG.

Das BVerfG meinte, dass das BAG die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie nicht ausreichend beachtet habe. Dies bedeutet, dass Tarifverträge zwar den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten müssen, Gerichte aber nur willkürliche Ungleichbehandlungen in Tarifverträgen beanstanden dürfen. Daher sind solche Ungleichbehandlungen zu akzeptieren, für die sachliche Gründe objektiv erkennbar seien. Das gilt auch, wenn der Tarifvertrag diese Gründe nicht ausdrücklich nennt. Aber selbst, wenn die unterschiedlichen Nachtzuschläge sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wären, hätte das BAG nicht einfach eine Anpassung nach oben anordnen dürfen. Es hätte den Tarifvertragsparteien vielmehr Gelegenheit geben müssen, den Tarifvertrag zu korrigieren.

Hinweis: Das Urteil bedeutet mehr Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber. Eine rückwirkende Anpassung nach oben zugunsten der Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, weil ein Tarifvertrag nicht nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer Vertrauensschutz bietet, sondern auch für die tarifgebundenen Arbeitgeber.


Quelle: BVerfG, Urt. v. 11.12.2024 - 1 BvR 1422/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Belegloses Einschreiben: Zugang einer Kündigung muss eindeutig nachweisbar sein

Dass das große Ganze wesentlich ist, stimmt nicht so ganz. Denn oft entscheiden Details über den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten. Auch im folgenden Fall, bei dem eine Kündigung am finalen Schritt gescheitert ist - nämlich ihrer Zustellung. Was in Sachen ordnungsgemäßer Kündigung bei Einschreiben zu beachten ist, hat hier das Bundesarbeitsgericht (BAG) gründlich dargelegt.

Dass das große Ganze wesentlich ist, stimmt nicht so ganz. Denn oft entscheiden Details über den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten. Auch im folgenden Fall, bei dem eine Kündigung am finalen Schritt gescheitert ist - nämlich ihrer Zustellung. Was in Sachen ordnungsgemäßer Kündigung bei Einschreiben zu beachten ist, hat hier das Bundesarbeitsgericht (BAG) gründlich dargelegt.

Ein Arbeitgeber wollte eine fristlose Kündigung aussprechen und behauptete, dass zwei seiner Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten. Danach hätten sie es zur Post gebracht und dort am 26.07.2022 um 15.35 Uhr als Einwurfeinschreiben mit Sendungsnummer persönlich aufgegeben. Nach dem Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Arbeitnehmerin am 28.07.2022 auch zugestellt worden. Die Arbeitnehmerin behauptet jedoch, das Schreiben nicht erhalten zu haben, und klagte auf Weiterbeschäftigung.

Und siehe da: Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden war. Denn der Arbeitgeber konnte den Zugang der Kündigung nicht beweisen. Er hatte hier für den von ihm behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten am 28.07.2022 keinen Beweis angeboten. Vor allem fehlte es an einem Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll. Das BAG stellte auch klar, dass die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurfeinschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs ohne Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Beweis für den Zugang beim Empfänger begründet. Schließlich fehlten dabei Angaben zum Überbringer der Kündigung sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung.

Hinweis: Die persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens gegen eine Empfangsbestätigung ist immer noch die sicherste Möglichkeit.


Quelle: BAG, Urt. v. 30.01.2025 - 2 AZR 68/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Betrachtung des Schadensgeschehens: Anscheinsbeweis entscheidet nach berührungslosem Unfall

Im Straßenverkehr entscheiden Sekunden, wie glimpflich eine unerwartete Begegnung ausgeht. Deshalb haben Gerichte über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten auch bei jenen Unfällen zu entscheiden, bei denen es gar nicht zu Berührungen der Unfallgegner bzw. von deren Fahrzeugen gekommen ist. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort.

Im Straßenverkehr entscheiden Sekunden, wie glimpflich eine unerwartete Begegnung ausgeht. Deshalb haben Gerichte über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten auch bei jenen Unfällen zu entscheiden, bei denen es gar nicht zu Berührungen der Unfallgegner bzw. von deren Fahrzeugen gekommen ist. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort.

Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad hinter einem Pkw. Die Beklagte fuhr ihrerseits mit ihrem Pkw die Gegenrichtung entlang, als ihre Fahrbahn in einer leichten Rechtskurve durch ein Müllabfuhrfahrzeug blockiert wurde. Um an diesem Fahrzeug vorbeizufahren, wechselte die Beklagte auf die Gegenfahrbahn. Der ihr dort entgegenkommende Pkw bremste stark ab, um eine Kollision mit der Beklagten zu vermeiden. Auch der hinter diesem Pkw fahrende Biker machte eine Vollbremsung, wobei sein Motorrad ins Rutschen geriet, stürzte und sich der Mann dabei erhebliche Verletzungen zuzog. Zu einer Kollision des Motorrads mit dem vorausfahrenden Pkw kam es glücklicherweise nicht auch noch. Dennoch begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall verpflichtet seien.

Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber zu 40 % haftet, obwohl keine Kollision stattgefunden habe. Das Fahrverhalten der Beklagten hatte den Sturz des Klägers verursacht. Sie hatte ein Müllabfuhrfahrzeug umfahren, was eine Vollbremsung des Gegenverkehrs und den Sturz des Klägers zur Folge hatte. Der Wechsel auf die Gegenfahrbahn, um an dem haltenden Müllabfuhrfahrzeug vorbeizufahren, beeinflusste das Fahrmanöver des Klägers - zumindest mittelbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nämlich bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Das sei dann gegeben, sobald bei der gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Dem Kläger war dennoch eine Mithaftung anzurechnen, weil er die Vorder- und Hinterradbremse derart betätigt hatte, dass beide Bremsen am Motorrad blockierten. Der Sturz wäre bei dem Motorrad des Klägers, das nicht über ein ABS verfüge, durch eine kontrollierte Betätigung der Vorderradbremse demnach vermeidbar gewesen.

Hinweis: Ein sogenannter berührungsloser Unfall ist dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, wenn also bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.


Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 18/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Ersatz unfallbedingter Kosten: Mietwagen auch nach Unfall mit Fahrzeug ohne HU-Plakette

In der Regel müssen sich privat gefahrene Pkws und Motorräder alle 24 Monate einer Hauptuntersuchung (HU) unterziehen. Wer eine solche schwänzt und dann einen Unfall verursacht, der auf einen Mangel zurückzuführen ist, der bei der HU beanstandet worden wäre, kann in Regress genommen werden. Ob aber auch ein unverschuldeter Unfall einen Fahrzeughalter teuer zu stehen kommt, der seiner Pflicht zur HU nicht nachgekommen war, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären.

In der Regel müssen sich privat gefahrene Pkws und Motorräder alle 24 Monate einer Hauptuntersuchung (HU) unterziehen. Wer eine solche schwänzt und dann einen Unfall verursacht, der auf einen Mangel zurückzuführen ist, der bei der HU beanstandet worden wäre, kann in Regress genommen werden. Ob aber auch ein unverschuldeter Unfall einen Fahrzeughalter teuer zu stehen kommt, der seiner Pflicht zur HU nicht nachgekommen war, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären.

Ein Autofahrer erlitt einen unverschuldeten Unfall und machte daraufhin seine Ansprüche der gegnerischen Versicherung gegenüber geltend. Diese zahlte auch fast alles, verweigerte aber die Erstattung der Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur. Sie argumentierte, dass der verunfallte Wagen keine gültige HU-Plakette aufgewiesen habe. Daher habe der Fahrzeugführer das Fahrzeug nicht mehr fahren dürfen. Er hätte den Wagen sowieso in die Werkstatt geben müssen, um die HU durchführen zu lassen, so dass die Mietwagenkosten nicht wegen des Unfalls angefallen wären, sondern nur "bei Gelegenheit" des Unfalls. Das wollte der Geschädigte nicht hinnehmen und klagte.

Der BGH entschied, dass allein das Überschreiten des HU-Termins nicht dazu führt, dass das Fahrzeug nicht mehr gefahren werden darf - selbst bei einer erheblichen Überschreitung von mehr als einem halben Jahr. Denn: Solange keine behördliche Untersagung vorliegt, darf so ein Fahrzeug gefahren werden, wenn das Fahrzeug verkehrssicher und mängelfrei ist. Hier ist daher der Werkstattaufenthalt allein durch den Unfall motiviert gewesen. Die Vorinstanz hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Fahrzeug verkehrssicher war, daher wurde der Fall für eben jene Feststellungen dorthin zurückverwiesen.

Hinweis: Richtig ist zwar, dass mit der HU dafür gesorgt werden soll, dass Fahrzeuge während ihres Betriebs in einem sicheren und umweltfreundlichen Zustand gehalten werden. Doch auch wenn die zuständige Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ein Nutzungsverbot nicht bereits beim Überschreiten des Vorführtermins eines Pkw zur HU vorsieht: Gehen Sie auf Nummer sicher und mit Ihrem Fahrzeug fristgerecht zum TÜV oder zur Dekra.


Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 117/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Gesamtwürdigung aller Umstände: Zuständigkeit des Nachlassgerichts bei Aufenthalt des Erblassers im Hospiz

Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Im Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) ging es um die konkrete Frage, ob der Aufenthalt eines Erblassers in einem Hospiz seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne, obwohl seine nach wie vor vorhandene Wohnung erst nach seinem Tod aufgelöst wurde.

Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Im Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) ging es um die konkrete Frage, ob der Aufenthalt eines Erblassers in einem Hospiz seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne, obwohl seine nach wie vor vorhandene Wohnung erst nach seinem Tod aufgelöst wurde.

Der im Jahr 2022 verstorbene ledige und kinderlose Erblasser lebte seit zehn Jahren in einer eigenen Wohnung, die auch erst nach seinem Tod aufgelöst wurde. Etwa drei Monate vor seinem Tod wurde der Erblasser auf eigenen Wunsch hin von einem Krankenhaus in ein Hospiz verlegt. Aus seinem Antrag auf stationäre Hospizpflege ging hervor, dass sowohl seine Eltern als auch seine Lebensgefährtin in dem Ort lebten, in dem sich auch das Hospiz befand. Die Verlegung erfolgte mit ausdrücklicher Begründung einer psychosozialen Begleitung durch die Angehörigen. Nach dem Tod des Mannes leitete das zunächst angerufene Nachlassgericht des ursprünglichen Wohnorts des Erblassers das Verfahren zuständigkeitshalber an das zuständige Nachlassgericht weiter, das in dem Gebiet des Hospizes lag. Von dort aus wurde schließlich auch ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. In der Folge entstand jedoch ein Streit über die Frage, ob der Erbschein vom zuständigen Gericht erteilt wurde, und falls nicht, ob er wegen Unrichtigkeit einzuziehen sei.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung über den gewöhnlichen Aufenthalt die Lebensumstände des Erblassers in den letzten Jahren sowie im Zeitpunkt seines Todes in den Fokus. Für die Bewertung eines gewöhnlichen Aufenthalts spielen unter anderem die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, die persönliche Bindung, Gründe für den Aufenthalt, ein subjektiver Aufenthaltswille und das soziale und kulturelle Umfeld eine entscheidende Rolle. Das Gericht stellte klar, dass es für die Beantwortung der Frage nach einem gewöhnlichen Aufenthalt keine bestimmte Mindestdauer gebe. Bedeutsamer sei die Intensität der sozialen Einbindung in das Umfeld. Bei einer Unterbringung in einem Hospiz sei es so, dass der bloße Wechsel nicht automatisch einen gewöhnlichen Aufenthalt begründe. Entscheidend sei vielmehr die Gesamtwürdigung aller Umstände, wobei hier insbesondere eine Rolle spielte, dass der Erblasser sich bewusst für ein Hospiz in der Nähe seiner Eltern entschieden habe und sein Wunsch durch die Begleitung durch Angehörige dokumentiert sei. Das Hospiz lag zudem im Herkunftsort des Erblassers, was für eine Rückkehr zu einem vertrauten sozialen Umfeld sprach. Der Umstand, dass die eigene Wohnung nicht aufgelöst worden sei, ist daher nicht entscheidend, da es keinen Hinweis gegeben habe, dass der Erblasser eine Rückkehr nach dorthin in Erwägung gezogen habe.

Hinweis: Eine nur vorübergehende Unterbringung in einem Krankenhaus führt in der Regel nicht zu einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts.


Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 17.03.2025 - 3 Wx 65/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

EuGH: Unionsrecht schreibt Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehe, nicht deren Eintragung vor

Das sogenannte Unionsrecht verpflichtet einen EU-Mitgliedstaat zur Anerkennung der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen. Dass daraus aber nicht unbedingt der Anspruch auf Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister folgt, war dem Schlussantrag des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu entnehmen.

Das sogenannte Unionsrecht verpflichtet einen EU-Mitgliedstaat zur Anerkennung der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen. Dass daraus aber nicht unbedingt der Anspruch auf Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister folgt, war dem Schlussantrag des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu entnehmen.

Zwei polnische Staatsbürger (einer zudem Deutscher) gingen in Berlin die Ehe ein. Das Paar beantragte die Umschreibung ihrer deutschen Heiratsurkunde in das polnische Personenstandsregister. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, da das polnische Recht die Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsieht. Die Eheleute klagten gegen diese Ablehnung. Das mit der Sache befasste polnische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH seine Fragen zur Vorabentscheidung vor: Es wollte wissen, ob die Regelung oder die Praxis eines Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht überhaupt vereinbar sei, wenn dadurch weder ermöglicht wird, die Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen anzuerkennen noch die entsprechende Heiratsurkunde in das Personenstandsregister einzutragen.

Der Generalanwalt stellte in seinem Schlussantrag fest, dass das Personenstandsrecht zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit aber Unionsrecht beachtet werden müsse. Werde die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehe nicht anerkannt, könne dies das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigen. Sehe ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vor, muss er dennoch geeignete Verfahren einführen, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehen nach außen dokumentieren. Jeder Mitgliedstaat muss also die Modalitäten der Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren festlegen. Dies muss nicht durch Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister geschehen, aber sicherstellen, dass die Ehe auch ohne diese Formalität ihre Wirkungen entfaltet.

Hinweis: Ist die Eintragung das einzige Mittel, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen in einem Mitgliedstaat anzuerkennen, dann muss diese auch möglich sein. Gibt es alternative Anerkennungswege, bestehe kein Anspruch auf Eintragung.


Quelle: EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts v. 03.04.2025 - C-713/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Unzulässige Teilentscheidung: Familienrichter dürfen Umgangsregelung nicht einfach ablehnen

Schon das Wort "Umgangsregelung" impliziert, dass eine Regelung irgendeiner Art getroffen wird. Ob es für eine solche rechtsgültige Umgangsregelung schon ausreicht, dass das Gericht bei einer Umgangsregelung ein einfaches "Nein, das machen wir so nicht!" ausspricht, musste in diesem Familienrechtsfall das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena entscheiden.

Schon das Wort "Umgangsregelung" impliziert, dass eine Regelung irgendeiner Art getroffen wird. Ob es für eine solche rechtsgültige Umgangsregelung schon ausreicht, dass das Gericht bei einer Umgangsregelung ein einfaches "Nein, das machen wir so nicht!" ausspricht, musste in diesem Familienrechtsfall das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena entscheiden.

Seit der Scheidung im Juni 2018 leben die Kinder bei ihrer Mutter. Alle 14 Tage holt der Vater sie am Wochenende zum Umgang ab. Er hat wieder geheiratet und zwei weitere minderjährige Kinder. Im August 2024 wollte der Mann den Umgang gerichtlich regeln lassen, da die Mutter mit den Kindern weggezogen war und damit gegen eine gemeinsame Absprache verstoßen habe. Seit dem Wegzug könne ein Umgang nur stattfinden, wenn der Vater eine Fahrstrecke von 560 km hin und zurück bewältige. Da er eine neue Familie habe und Vollzeit arbeite, zudem physisch und psychisch angegriffen sei, könne er die Umgangsfahrten nicht allein übernehmen. Die Mutter weigerte sich hingegen, sich an den Umgangsfahrten zu beteiligen und die Kinder zum Vater zu bringen und wieder abzuholen. So einen Anspruch gäbe es ihrer Ansicht nicht. Das Familiengericht hörte dann auch die beiden Kinder an, die ihrerseits meinten, die Fahrten nicht allein zurücklegen zu können. Also wies das Gericht den Vater zurück, wogegen er Beschwerde einlegte - und Recht bekam.

Die bloße Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung war in den Augen des OLG grundsätzlich unzulässig. Das Familiengericht muss entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret regeln oder - sofern dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist - die Umgangsbefugnis ebenso konkret einschränken oder ausschließen. Einfach ablehnen darf es eine gerichtliche Regelung hingegen nicht. Das OLG hat den Fall also an das Landgericht zurückverwiesen, das nun nochmal entscheiden muss. Wird eine gerichtliche Umgangsregelung verlangt, muss ein Gericht diese auch treffen. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Regelungsbedürfnis entfallen ist (etwa durch außergerichtliche Einigung). Dies war hier aber nicht der Fall.

Hinweis: Begehren auch Sie eine Umgangsregelung, dann bestehen Sie immer auf einer gut begründeten Entscheidung. Dies ist schließlich Kernaufgabe des Gerichts. Kommt es dieser nicht nach, ist die gerichtliche Entscheidung angreifbar.


Quelle: Thüringer OLG, Beschl. v. 02.04.2025 - 1 UF 16/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)

Ausgleich der Unterhaltsspitze: Eltern können bei Unterhalt im paritätischen Wechselmodell in eigenem Namen klagen

Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Leben die Eltern getrennt, stellt sich im Streitfall immer die Frage, ob die Eltern den Unterhaltsanspruch des Kindes im eigenen Namen oder als gesetzlicher Vertreter einklagen müssen. Und da es so oft heißt, es käme immer auf den Fall an, musste das Amtsgericht Gemünden (AG) darauf eine Antwort finden.

Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Leben die Eltern getrennt, stellt sich im Streitfall immer die Frage, ob die Eltern den Unterhaltsanspruch des Kindes im eigenen Namen oder als gesetzlicher Vertreter einklagen müssen. Und da es so oft heißt, es käme immer auf den Fall an, musste das Amtsgericht Gemünden (AG) darauf eine Antwort finden.

Die miteinander verheirateten Eltern leben dauerhaft getrennt und betreuen die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Nun wollte die Mutter den Ausgleich der Unterhaltsspitze hinsichtlich des Kindesunterhalts gerichtlich klären lassen und im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass ihr das Alleinvertretungsrecht für die Geltendmachung von Kindesunterhalt (im Wechselmodell) für die gemeinsamen Kinder zugewiesen wird. Hilfsweise solle ein Ergänzungspfleger zur Geltendmachung des Kindesunterhalts bestellt werden. Der Vater sah jedoch keinerlei Regelungsbedürfnis.

Das AG hat die Anträge der Mutter abgewiesen. Der Mutter musste nämlich gar keine Entscheidungsbefugnis übertragen werden, da sie die Unterhaltsansprüche der Kinder im eigenen Namen geltend machen kann. § 1629 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch regelt ausdrücklich, dass ein Elternteil die Kinder allein und in eigenem Namen vertreten kann, wenn die Eltern zwar verheiratet sind, aber getrennt leben. Weitere Voraussetzungen - wie ein überwiegender Aufenthalt oder die Obhut bei einem Elternteil - verlangt die Norm nicht. Und da die Mutter bereits alleinvertretungsbefugt war, musste auch kein Ergänzungspfleger bestellt werden.

Hinweis: Das hätte die Mutter wirklich leichter haben können. Gerade im Familienrecht gilt es, genau zu lesen, wo eine Obhut gefordert ist und wo ein überwiegender Aufenthalt - denn gerade daran kann sich entscheiden, ob man im eigenen Namen klagebefugt ist oder eben nicht.


Quelle: AG Gemünden, Beschl. v. 17.03.2025 - 002 F 72/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2025)