Neuigkeiten - Recht

Eilbetreuung verhindert: Notvertretungsrecht der Ehegattin scheitert nicht an Sprachbarrieren

Es gehörte zu den typischen Irrtümern im Familienrecht, dass sich Ehegatten in einem medizinischen Notfall gegenseitig vertreten dürften und auch über Auskunfts- und Entscheidungsrechte verfügten. Erst seit Januar 2023 hat der Gesetzgeber ein solches "Notvertretungsrecht" von Ehegatten ins Gesetz aufgenommen. Dass in der Praxis die Unsicherheit bei der Anwendung besonders beim ärztlichen Personal noch groß ist, zeigt der folgende Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG).

Es gehörte zu den typischen Irrtümern im Familienrecht, dass sich Ehegatten in einem medizinischen Notfall gegenseitig vertreten dürften und auch über Auskunfts- und Entscheidungsrechte verfügten. Erst seit Januar 2023 hat der Gesetzgeber ein solches "Notvertretungsrecht" von Ehegatten ins Gesetz aufgenommen. Dass in der Praxis die Unsicherheit bei der Anwendung besonders beim ärztlichen Personal noch groß ist, zeigt der folgende Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG).

Hier hatte das Universitätsklinikum eine Eilbetreuung bei Gericht beantragt, weil für einen Patienten etwas zu entscheiden war, was dieser selbst nicht mehr entscheiden konnte. Aus den weiteren Informationen des Krankenhauses hatte sich ergeben, dass der Betroffene verheiratet ist. Deshalb lehnte das Gericht die Einrichtung der Eilbetreuung mit Hinweis auf § 1358 Bürgerliches Gesetzbuch ab. Doch die Klinik war mit der Ehefrau als Vertreterin nicht einverstanden, da es eine "Sprachbarriere" gab.

Doch auch mit diesem Argument gab es keinen externen Betreuer. Eine wie auch immer geartete Eignungsprüfung des Ehegatten findet vor Eintritt des gesetzlichen Ehegattennotvertretungsrechts nicht statt. Mangelnde Deutschkenntnisse allein rechtfertigen laut AG nicht, dass jemand ungeeignet sei, für sich oder andere medizinische Entscheidungen zu treffen. In solchen Fällen sei ein Dolmetscher die passende Lösung, keine gerichtliche Betreuung. Anders sähe es nur aus, wenn die Ehefrau die Vertretung selbst abgelehnt hätte.

Hinweis: Zur Unterstützung des Kommunikationsprozesses zwischen vertretenden Ehegatten und behandelnden Ärzten haben Bundesärztekammer und Bundesjustizministerium einen entsprechenden Vordruck entwickelt. Da das Notvertretungsrecht nur medizinische Fragen umfasst und sowohl inhaltlich als auch zeitlich befristet ist, gilt weiterhin die Empfehlung zu einer weit umfassenderen Vorsorgevollmacht.


Quelle: AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 15.01.2023 - 43 XVII 178/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Syrische "Handschuhehe": Erteilte Vollmacht muss sich auf konkrete Braut beziehen

Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann unter bestimmten Umständen sogar die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden. Während Ersteres in Deutschland durchaus anerkannt werden kann, ist die zweite Variante - die Wahl des Ehepartners anderen zu überlassen - hierzulande rechtlich nicht akzeptabel. Beide Möglichkeiten in einem konkreten Fall voneinander zu unterscheiden, war Aufgabe des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG).

Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann unter bestimmten Umständen sogar die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden. Während Ersteres in Deutschland durchaus anerkannt werden kann, ist die zweite Variante - die Wahl des Ehepartners anderen zu überlassen - hierzulande rechtlich nicht akzeptabel. Beide Möglichkeiten in einem konkreten Fall voneinander zu unterscheiden, war Aufgabe des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG).

Während es in Deutschland undenkbar ist, dass eine standesamtliche Hochzeit ohne persönliche Anwesenheit beider Brautleute vollzogen wird, lassen andere Rechtsordnungen dies zu. So war ein Syrer in Syrien verheiratet worden, während er sich in Deutschland befand. Dabei wurde er durch seinen Vater vertreten, dem er drei Jahre zuvor eine entsprechende Vollmacht erteilt hatte. Man nennt dies "Handschuhehe". Als das syrische Paar nun in Deutschland ein Kind bekam, war es beim Standesamt, um die Eheschließung nach deutschem Recht anerkennen zu lassen. Die einst erteilte Vollmacht war jedoch zu allgemein und umfassend formuliert, was die konkrete Bezeichnung bzw. Benennung der Braut anging.

Wäre die Braut in der Vollmacht namentlich genannt gewesen, wäre auch die Eheschließung anerkannt worden. Aus deutscher Sicht inakzeptabel ist es aber, mit jemandem verheiratet zu werden, den womöglich ein anderer per Vollmacht ausgesucht habe. Und dass zwischen der Vollmachterteilung und der Hochzeit in Syrien ganze drei Jahre vergingen, erweckte beim OLG durchaus den Anschein, dass der Vater die Braut ausgesucht habe (was dieser bestritt). Praktische Probleme entstanden bei der Beweisaufnahme zudem dadurch, dass vom syrischen Staat keine Rechtshilfe zu erwarten war, und weil eine Zeugenvernehmung per Videokonferenz mit dem Ausland verfahrensrechtlich unzulässig ist. Der bevollmächtigte Vater konnte daher nicht als Zeuge vernommen werden. Deshalb konnte der Mann seine Behauptung nicht beweisen, dass bereits bei Erteilung der Vollmacht allen klar gewesen sei, um welche konkrete Braut es ginge.

Hinweis: So skurril es manchen erscheinen mag, Handschuhehen sind in Deutschland durchaus anerkennungsfähig. Dafür muss eine hierzu erteilte Vollmacht aber aussagekräftig genug sein, um den Anschein auszuräumen, dass andere als der Ehepartner selbst die Brautwahl übernommen haben könnten.


Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.02.2023 - 11 W 2076/22
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Bewerbung einer nichtbinären Person: Weibliche Gleichstellungsbeauftragte als Ansprechpartnerin nach sexuellen Belästigungen

Die Geschlechterzugehörigkeit in Deutschland wird auch bei Bewerbungsverfahren in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Und das zu Recht, denn schließlich ist die Benachteiligung des Geschlechts wegen auch bei der Besetzung einer Stelle nach wie vor Realtität. Dennoch gibt es Fälle, in denen eine geschlechtsunabhängige Berücksichtigung der Bewerbungen schlicht und ergreifend (noch) nicht möglich ist. Diese Fälle von jenen zu unterscheiden, die tatsächlich gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, bleibt wohl in den Händen der Gerichte - in diesem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG).

Die Geschlechterzugehörigkeit in Deutschland wird auch bei Bewerbungsverfahren in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Und das zu Recht, denn schließlich ist die Benachteiligung des Geschlechts wegen auch bei der Besetzung einer Stelle nach wie vor Realtität. Dennoch gibt es Fälle, in denen eine geschlechtsunabhängige Berücksichtigung der Bewerbungen schlicht und ergreifend (noch) nicht möglich ist. Diese Fälle von jenen zu unterscheiden, die tatsächlich gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, bleibt wohl in den Händen der Gerichte - in diesem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG).

Eine Hochschule hatte eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte ausgeschrieben. Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) sieht für die Besetzung des Amts der Gleichstellungsbeauftragten eine Frau vor. Ein Bewerber, der sich keinem Geschlecht zugehörig ansah, bewarb sich hierauf und beschrieb sich in seiner Bewerbung als nichtbinäre Person. Der Bewerber wurde von der Hochschule für die Stellenbesetzung nicht berücksichtigt. Die Hochschule sah sich durch § 42 NHG schon formell an der Einstellung einer nichtweiblichen Person gehindert. Der Bewerber wollte daraufhin eine Entschädigung erhalten und klagte.

Die Entschädigungsklage wurde vom LAG jedoch abgewiesen. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Dies gilt jedoch nicht, wenn für einen Teil der Tätigkeiten das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist. Das ist etwa der Fall, wenn Gleichstellungsbeauftragte insbesondere als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen dienen, deren Hauptbetroffene nach wie vor Frauen seien. Und diese Anforderung war auch hier gegeben.

Hinweis: Dieser Fall hat sich zwar im öffentlichen Dienst zugetragen - er zeigt jedoch, auf was sich Arbeitgeber einzustellen haben. Eine nichtbinäre Person darf bei der Stellenbesetzung einer Gleichstellungsbeauftragten ungleich behandelt werden.


Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 24.02.2023 - 16 Sa 671/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

30 Tage Haft: OLG Celle greift zur Durchsetzung einer Kindesherausgabe hart durch

Sorgerechtsstreitigkeiten sind immer eine ernste Sache. Im folgenden Fall jedoch sah sich selbst das zuständige Oberlandesgericht Celle (OLG) - bei dem man davon ausgehen kann, dass es schon so einige harte Fälle erlebt hat - gezwungen, statt eines Ordnungsgelds eine Haftstrafe gegen eine Mutter zu verhängen. Denn diese hatte eine besondere Widerspenstigkeit gegenüber der getroffenen Sorgerechtsentscheidung an den Tag gelegt.

Sorgerechtsstreitigkeiten sind immer eine ernste Sache. Im folgenden Fall jedoch sah sich selbst das zuständige Oberlandesgericht Celle (OLG) - bei dem man davon ausgehen kann, dass es schon so einige harte Fälle erlebt hat - gezwungen, statt eines Ordnungsgelds eine Haftstrafe gegen eine Mutter zu verhängen. Denn diese hatte eine besondere Widerspenstigkeit gegenüber der getroffenen Sorgerechtsentscheidung an den Tag gelegt.

Seit Jahren stritten Mutter und Vater über das Sorgerecht. Nachdem dies 2021 endgültig dem Vater übertragen worden war, verweigerte die Mutter die Kindesherausgabe. Das Familiengericht gab dem Vater und dem Jugendamt alle rechtlichen Möglichkeiten an die Hand, die Herausgabe der neunjährigen Tochter durchzusetzen, es wurde sogar die Wohnung der Mutter vom Schlüsseldienst geöffnet und die Polizei hinzugezogen. Die Mutter hatte - dies voraussehend - rund 15 Zeugen für diesen Termin organisiert, die alles aufzeichneten und zusammen mit ihr das Kind darin bestärkten, sich gegen die Mitnahme zu wehren. Die Polizisten beschrieben die Situation als gestellt, manipulativ und darauf angelegt, dass es zu Handgreiflichkeiten komme. Eine unbeeinflusste Unterhaltung mit dem Kind sei den Polizisten oder Jugendamtmitarbeitern nicht möglich gewesen. Dieser Inobhutnahmeversuch wurde abgebrochen. Anschließend hielten sich Mutter und Tochter monatelang bei verschiedenen Freunden und Verwandten auf, um nicht greifbar zu sein; die Tochter besuchte die Schule nicht. Zudem musste die Mutter beim Gerichtsvollzieher erscheinen, um Angaben zum Aufenthalt der Tochter zu machen - allerdings war auch das unergiebig.

Im Ergebnis schaffte es die Mutter anderthalb Jahre lang, das Kind abzuschotten und dessen Herausgabe zu verweigern. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Kindesentziehung, und das OLG hatte nun über Ordnungsmittel gegen die Mutter zu entscheiden - in der Regel ein Ordnungsgeld in Höhe von einigen hundert Euro. Hier aber griff das OLG direkt zu einem einschneidenderen Mittel: Es ordnete 30 Tage Haft für die Mutter an. Deren Hartnäckigkeit lasse vermuten, dass weder ein Geldbetrag noch eine kurze Ordnungshaft von wenigen Tagen den Zweck erreichen könne, den Widerstand gegen die Herausgabe aufzugeben. Die Mutter konnte sich nicht damit rechtfertigen, dass sie ärztliche Bescheinigungen einreichte, nach denen eine Herausgabe dem Kindeswohl widerspreche. Denn da sie kein Sorgerecht hatte, hätte sie das Kind gar nicht bei Ärzten untersuchen und behandeln lassen dürfen.

Hinweis: Gegen den Arzt, der wusste, dass die Mutter kein Sorgerecht hatte und der das Kind trotzdem behandelte, wurde berufs- und strafrechtlich vorgegangen.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2023 - 10 WF 135/22
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

EuGH stärkt Arbeitnehmerrecht: Tägliche Ruhezeit ist kein Teil der wöchentlichen Ruhezeit - auch nicht in direkter Abfolge

Ein Ungar wollte sich mit der Rechenweise seiner Arbeitgeberin nicht zufriedengeben und klagte seinen Anspruch auf tägliche Ruhezeiten ein. Und da sich die ungarischen Richter auch nicht sicher waren, ob die tägliche mit der wöchentlichen Ruhezeit aufgerechnet werden darf, sobald beide zeitlich aufeinanderfolgen, musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) für Klarheit sorgen.

Ein Ungar wollte sich mit der Rechenweise seiner Arbeitgeberin nicht zufriedengeben und klagte seinen Anspruch auf tägliche Ruhezeiten ein. Und da sich die ungarischen Richter auch nicht sicher waren, ob die tägliche mit der wöchentlichen Ruhezeit aufgerechnet werden darf, sobald beide zeitlich aufeinanderfolgen, musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) für Klarheit sorgen.

Ein Lokführer, auf dessen Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag mit einer wöchentlichen Ruhezeit Anwendung fand, klagte vor einem ungarischen Gerichtshof gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin, ihm keine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden zu gewähren. Die Arbeitgeberin verweigerte ihm diese Ruhezeit, sobald diese einer wöchentlichen Ruhezeit oder einer Urlaubszeit vorausging oder nachfolgte. Der ungarische Gerichtshof wollte nun vom EuGH wissen, ob nach der Richtlinie eine mit einer wöchentlichen Ruhezeit zusammenhängend gewährte tägliche Ruhezeit Teil der wöchentlichen Ruhezeit ist.

In seinem Urteil stellte der EuGH fest, dass die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit zwei autonome Rechte sind, mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden aus seiner Arbeitsumgebung zurückzuziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Folglich ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten.

Hinweis: Die tägliche Ruhezeit muss also unabhängig von der Dauer der wöchentlichen Ruhezeit gewährt werden. Die tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht. Dies ist auch dann der Fall, wenn die nationalen Rechtsvorschriften den Arbeitnehmern eine wöchentliche Ruhezeit gewähren, die länger ist als unionsrechtlich vorgegeben.


Quelle: EuGH, Urt. v. 02.03.2023 - C-477/21
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Teil der Betriebseinrichtung? BGH grenzt Haftung aus der Betriebsgefahr bei Brand von ausgebauter Batterie ein

In der Reihe seiner Entscheidungen zu Schäden durch brennende Fahrzeuge, die die Betriebsgefahr als sehr weitgehend beurteilt hatten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine Grenze zu der Betriebsgefahr für sogenannte Betriebseinrichtungen und sogenannte Betriebsvorgänge gezogen.

In der Reihe seiner Entscheidungen zu Schäden durch brennende Fahrzeuge, die die Betriebsgefahr als sehr weitgehend beurteilt hatten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine Grenze zu der Betriebsgefahr für sogenannte Betriebseinrichtungen und sogenannte Betriebsvorgänge gezogen.

Der Besitzer eines E-Scooters brachte sein Fahrzeug zur Inspektion in eine Kfz-Werkstatt. Dort baute ein Mitarbeiter die Batterie des Elektrorollers aus und begann, sie aufzuladen. Als er bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf den Werkstattboden. Doch statt abzukühlen, explodierte die Batterie und setzte das Gebäude in Brand. Es entstand ein Gebäude- und Mietausfallschaden in Höhe von rund 730.000 EUR. Der eintrittspflichtige Gebäudeversicherer (Kläger) regulierte den Gebäudeschaden zwar, wandte sich zum Regress aber dann an die Haftpflichtversicherung (Beklagte) des Halters.

Der BGH schüttelte hier aber mit den Köpfen und legte dar, dass es für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) grundsätzlich unerheblich ist, dass sich der Roller und die Batterie zur Inspektion in einer Werkstatt befanden. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand - unabhängig vom Fahrbetrieb selbst - vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Insoweit reicht es auch aus, wenn der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung eines Fahrzeugs steht.

Im vorliegenden Fall wurde die Betriebsgefahr verneint, da die Erhitzung und nachfolgende Explosion der Batterie gerade nicht in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung (Roller) standen, da sie bereits ausgebaut war. Der BGH weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass kein Unterschied zum "umgekehrten Fall" bestehe - also wenn eine neue Batterie erst aufgeladen und dann in einen Elektroroller eingebaut werde. Die Batterie ist nicht mehr bzw. war noch nicht Teil der Betriebseinrichtung. Auch dass die Batterie zuvor in einem Elektroroller eingebaut war und in diesem entladen wurde, belegt nicht den erforderlichen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang. Die Klage hatte daher keinen Erfolg.

Hinweis: Geraten Teile eines Fahrzeugs, die ausgebaut sind, in Brand, fällt dies grundsätzlich nicht mehr unter die Betriebsgefahr und somit unter eine Haftung aus § 7 StVG.


Quelle: BGH, Urt. v. 24.01.2023 - VI ZR 1234/20
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Verantwortungsbereich des Arbeitgebers: Innerhalb des Betriebsgebäudes gilt Sturz beim Kaffeeholen als Arbeitsunfall

Da Kaffee für viele Arbeitnehmer schier unverzichtbar ist, um die ihnen anvertraute Arbeit zu schaffen, erübrigt sich doch eigentlich auch die Frage, ob ein Unfall auf dem Weg zum betrieblichen Kaffeeautomaten versichert sei. Oder? Sicherheitshalber lassen wir das Landessozialgericht Hessen (LSG) auf diese Frage antworten.

Da Kaffee für viele Arbeitnehmer schier unverzichtbar ist, um die ihnen anvertraute Arbeit zu schaffen, erübrigt sich doch eigentlich auch die Frage, ob ein Unfall auf dem Weg zum betrieblichen Kaffeeautomaten versichert sei. Oder? Sicherheitshalber lassen wir das Landessozialgericht Hessen (LSG) auf diese Frage antworten.

Eine Verwaltungsangestellte eines Finanzamts wollte sich im dortigen Sozialraum am Kaffeeautomaten einen Kaffee holen. Doch sie rutschte auf dem Weg auf nassem Boden aus und erlitt einen Lendenwirbelbruch. Sie beantragte nun, ihr Missgeschick als Arbeitsunfall anzuerkennen, da sie schließlich auf dem Weg zum Getränkeautomaten während ihrer Arbeitszeit unfallversichert sei. Die Unfallkasse Hessen lehnte den Antrag ab und meinte, der Versicherungsschutz ende regelmäßig mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Und deshalb klagte die Verwaltungsangestellte.

Das LSG erkannte den Sturz als Arbeitsunfall an. Das Zurücklegen eines Wegs, um sich einen Kaffee an einem im Betriebsgebäude aufgestellten Automaten zu holen, hat im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Ein Beschäftigter sei auf dem Weg, um sich Nahrungsmittel zum Verzehr am Arbeitsplatz zu besorgen, grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Der Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum Getränkeautomaten ende daher auch nicht an der Tür des Sozialraums, der sich innerhalb des Betriebsgebäudes befindet. Dieser Raum gehört auch als Pausen- oder Freizeitraum eindeutig in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.

Hinweis: Ein Sturz einer Angestellten auf dem Weg zu einem Getränkeautomaten im Betriebsgebäude ist demnach als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Möglichkeit der Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil richtig ist.


Quelle: LSG Hessen, Urt. v. 07.02.2023 - L 3 U 202/21
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Versuchte Nötigung: Kein Recht auf Sicherstellung eines falsch abgestellten E-Scooters

In Paris hat eine kleine, aber entscheidende Zahl der Abstimmungsberechtigten gerade dafür gestimmt, E-Scooter künftig aus der Stadt zu entfernen. Viele Städter hierzulande neiden den Franzosen diese Entscheidung - mit Sicherheit. Besonders weil es rechtlich nicht oft toleriert wird, Ungeliebtes oder Störendes eigeninitiativ vom öffentlichen Grund zu entfernen - so war es auch im Fall vor dem Amtsgericht Düsseldorf (AG).

In Paris hat eine kleine, aber entscheidende Zahl der Abstimmungsberechtigten gerade dafür gestimmt, E-Scooter künftig aus der Stadt zu entfernen. Viele Städter hierzulande neiden den Franzosen diese Entscheidung - mit Sicherheit. Besonders weil es rechtlich nicht oft toleriert wird, Ungeliebtes oder Störendes eigeninitiativ vom öffentlichen Grund zu entfernen - so war es auch im Fall vor dem Amtsgericht Düsseldorf (AG).

Hier fand ein Mann vor seiner Garage einen E-Roller, der die Einfahrt blockierte. Mit Hilfe einer Sackkarre beseitigte er das Fahrzeug, stellte es in seine Garage und schrieb schließlich die Vermietfirma des E-Scooters an: Er forderte 35 EUR für die Herausgabe des Rollers. Die Firma zahlte aber nicht etwa - sie erstattete vielmehr Anzeige wegen versuchter Nötigung. Prompt erhielt er auch eine Verwarnung mit Androhung einer Geldstrafe von 3.000 EUR im Wiederholungsfall. Das wollte sich der Betroffene nicht gefallen lassen, er erhob Einspruch. Hier habe gar keine Nötigung vorgelegen, er habe mit den 35 EUR vielmehr seinen Aufwand für das Wegschaffen des Rollers und das Verfassen des Briefs erstattet bekommen wollen.

Das AG Düsseldorf entschied, dass ein Versetzen des Rollers ausgereicht hätte. Das Einbehalten und Fordern einer Geldsumme vor Herausgabe stellen eine versuchte Nötigung dar. Der Angeklagte nahm den Einspruch daraufhin zurück und muss zusätzlich 200 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Hinweis: Wer eine andere Person durch die Drohungen zu einem bestimmten Verhalten zwingt, macht sich der Nötigung schuldig. Von einer versuchten Nötigung spricht man, wenn sich das Opfer der ungewollten Willensbeugung widersetzt und sich dementsprechend nicht zu der vom Täter geforderten Handlung zwingen lässt. Der Versuch einer Nötigung ist aber strafbar.


Quelle: AG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2023 - 126 Cs 248/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Erhöhte Betriebsgefahr: Unfall bei "Touristenfahrt" auf Rennstrecke rechtfertigt Haftungsanteil von 75 %

Wer einmal richtig aufs Gaspedal drücken möchte, ohne dabei Gesetze zu übertreten, kann dies auf dafür freigegebenen Rennstrecken tun. Dass auch dieses Unterfangen nicht ohne Gefahren ist, sollte klar sein. Wie es sich mit aber der Haftungsverteilung verhält, wenn ein anderes Fahrzeug am Unfallgeschehen - wenn auch nur durch ausgelaufene Betriebsmittel - beteiligt war, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG).

Wer einmal richtig aufs Gaspedal drücken möchte, ohne dabei Gesetze zu übertreten, kann dies auf dafür freigegebenen Rennstrecken tun. Dass auch dieses Unterfangen nicht ohne Gefahren ist, sollte klar sein. Wie es sich mit aber der Haftungsverteilung verhält, wenn ein anderes Fahrzeug am Unfallgeschehen - wenn auch nur durch ausgelaufene Betriebsmittel - beteiligt war, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG).

Hier nahm ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug an einer sogenannten Touristenfahrt auf einer freigegebenen Rennstrecke teil. In der Nordschleife kam er dann jedoch durch Schmiermittel auf der Fahrbahn ins Schleudern und verunfallte. Schließlich forderte der Mann Schadensersatz von der Versicherung des Fahrzeugs, bei dem die Flüssigkeit ausgetreten war.

Das OLG entschied, dass der Verunfallte selbst zu 75 % hafte, der andere Beteiligte immerhin zu 25 %. Denn dieser hatte kurz zuvor bemerkt, dass Betriebsmittel aus seinem Fahrzeug ausgetreten waren. Dass er dennoch nicht sofort angehalten habe, sei fahrlässig gewesen.

Hinweis: Bei der Quotenbildung war von einer erhöhten Betriebsgefahr des verunfallten Fahrzeugs auszugehen. Die Kurve sei bekannt dafür, dass sich dort Betriebsmittel auf der Strecke befinden könnten. Ein zu schnelles - aber auch zu langsames! - Fahren könne dort schnell zu Unfällen führen. Daher war hier die erhöhte Betriebsgefahr anzunehmen.

Quelle. OLG Koblenz, Beschl. v. 19.01.2023 - 12 U 1933/22

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)

Unterhaltsbefreiter Samenspender: Mutter muss 30.000 EUR Unterhaltsvorschuss zurückerstatten

Kindesunterhalt ist eigentlich unverzichtbar. Diesen können Eltern auch nicht durch eine Vereinbarung umgehen, durch die das Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert. Möglich ist jedoch eine "Freistellung", mit der sich die Mutter zum Beispiel im Fall einer Samenspende verpflichtet, den Unterhalt anstelle des Vaters zu übernehmen. An einer solchen Freistellungsvereinbarung fehlte es im folgenden Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zwar - doch die Basis, auf der die Samenspende zustande kam, sprach eindeutig für den Spender.

Kindesunterhalt ist eigentlich unverzichtbar. Diesen können Eltern auch nicht durch eine Vereinbarung umgehen, durch die das Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert. Möglich ist jedoch eine "Freistellung", mit der sich die Mutter zum Beispiel im Fall einer Samenspende verpflichtet, den Unterhalt anstelle des Vaters zu übernehmen. An einer solchen Freistellungsvereinbarung fehlte es im folgenden Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zwar - doch die Basis, auf der die Samenspende zustande kam, sprach eindeutig für den Spender.

Auf der Internetseite "Spermaspender.de" verabreden sich Frauen, die unkompliziert ein Kind von einem Fremden empfangen wollen, mit spendenbereiten Männern. Grund dafür ist häufig, dass zwei Frauen ein Kind in einer lesbischen Partnerschaft erziehen möchten, ohne dass es einen Vater gibt, der Rechte am Kind geltend machen könnte. Der Zeugungsvorgang geschieht dann ohne Körperkontakt als sogenannte Becherspende. Ein Mann hatte auf diese Weise bereits mehrere Kinder gezeugt und unterhielt zu den Frauen und Kindern zum Teil freundschaftlichen Kontakt. Zu einer der Mütter war die Freundschaft jedoch schnell vorbei, als diese beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragte und die Unterhaltvorschusskasse später beim Vater knapp 30.000 EUR vollstreckte.

Der Mann legte dem OLG sein Inserat auf der Spermaspender-Website vor. Dort hatte er geschrieben: "Ich habe keine finanziellen Interessen, nur sollte eurerseits die Bereitschaft bestehen, Unkosten zu übernehmen. Unterhalt möchte ich nicht zahlen. Ich möchte weder vorher noch nachher Kosten tragen müssen." Weil die Zeugung auf dieser Basis zustande gekommen war, gab das OLG dem Mann recht. Er musste keinen Unterhalt zahlen und bekam das bereits Gezahlte zurück.

Hinweis: Die Freistellungsvereinbarung kann der Mann nur gegenüber der Mutter geltend machen, nicht gegenüber der Unterhaltsvorschusskasse. Deshalb musste er dorthin erstmal einzahlen und anschließend die Mutter auf Erstattung verklagen.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 27.02.2023 - 13 UF 21/22
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 05/2023)