Neuigkeiten - Recht

10.000 EUR Hinterbliebenengeld: Insolvenzschuldner hat als Hinterbliebener eines Mordopfers Anspruch auf Prozesskostenhilfe

Wer einer getöteten Person nahestand, kann unter Umständen ein Hinterbliebenengeld verlangen. Das gilt selbst dann, wenn dem Hinterbliebenen von dem erstrittenen Geld womöglich nichts verbleibt. In diesem Fall befasste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit dem Anrecht auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage des Sohns gegen den Mörder seiner Mutter. Antragsteller war hier der Insolvenzverwalter des Hinterbliebenen.

Wer einer getöteten Person nahestand, kann unter Umständen ein Hinterbliebenengeld verlangen. Das gilt selbst dann, wenn dem Hinterbliebenen von dem erstrittenen Geld womöglich nichts verbleibt. In diesem Fall befasste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit dem Anrecht auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage des Sohns gegen den Mörder seiner Mutter. Antragsteller war hier der Insolvenzverwalter des Hinterbliebenen.

Die Mutter eines Manns war erschossen worden, und zwar von dessen Stiefvater. Dann geriet der Sohn der Getöteten in Insolvenz, woraufhin der Insolvenzverwalter vom Mörder eine Geldentschädigung verlangte. Nachdem das erstinstanzliche Landgericht die Klage abgewiesen hatte, gewährte das OLG nun PKH für das Berufungsverfahren, soweit ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 10.000 EUR verfolgt wird.

Der Insolvenzschuldner - der Sohn der Ermordeten - habe nach Ansicht des OLG Anspruch auf Zahlung eines sogenannten Hinterbliebenengeldes. Danach kann der Hinterbliebene, der zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das ihm zugefügte seelische Leid eine angemessene finanzielle Entschädigung verlangen. Ein solcher Anspruch setze neben der Haftung des Schädigers lediglich ein Näheverhältnis voraus, das zwischen der getöteten Person und - wie hier - dessen Kind vermutet wird. Die gesetzliche Vermutung dieses Näheverhältnisses hatte der verurteilte Mörder hier auch nicht widerlegt. Deshalb wurde PKH bewilligt, und der Insolvenzverwalter wird für den Sohn vermutlich die Klage gewinnen.

Hinweis: Natürlich wird es in solchen Fällen schwer, von dem Mörder, der unter Umständen noch in einer Strafvollzugsanstalt sitzt, das Geld zu bekommen. Andererseits kann sich der Straftäter nicht durch ein Insolvenzverfahren der Zahlung entziehen.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.11.2024 - 3 U 103/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2025)

Betrug durch "Enkeltrick": Widerruf bei Echtzeitüberweisungen nur bis zur Freigabe bei der Bank möglich

Das Landgericht Frankenthal (LG) hat kürzlich ein Urteil über einen Rückzahlungsanspruch nach einer Sofortüberweisung gefällt. Geklagt hatte ein Ehepaar, das einem sogenannten Enkeltrick zum Opfer fiel - auch wenn es bei dem Betrug um die Tochter der beiden ging. Das Urteil überrascht wenig. Daher sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in solchen Fällen Kontrolle immer noch mehr zählt als Vertrauen und schon ein absichernder Anruf beim angeblich in Not befindlichen Nachwuchs vor Schaden schützen kann.

Das Landgericht Frankenthal (LG) hat kürzlich ein Urteil über einen Rückzahlungsanspruch nach einer Sofortüberweisung gefällt. Geklagt hatte ein Ehepaar, das einem sogenannten Enkeltrick zum Opfer fiel - auch wenn es bei dem Betrug um die Tochter der beiden ging. Das Urteil überrascht wenig. Daher sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in solchen Fällen Kontrolle immer noch mehr zählt als Vertrauen und schon ein absichernder Anruf beim angeblich in Not befindlichen Nachwuchs vor Schaden schützen kann.

Ein Ehepaar hatte im Herbsturlaub 2023 eine Textnachricht von einer unbekannten Rufnummer erhalten. Der Absender gab sich als deren Tochter aus und bat darum, über WhatsApp über eine neue Handynummer Kontakt aufzunehmen. Bei dem darauffolgenden Chat glaubte das Paar fest daran, mit seiner Tochter in Kontakt zu sein. Auf Frage teilten sie daraufhin die Zugangsdaten für das von ihnen genutzte Onlinebanking mit und gaben schließlich zwei Echtzeitüberweisungen von insgesamt rund 6.000 EUR über die auf ihrem Handy installierte Photo-Tan-App frei. Dann kamen dem Ehepaar Bedenken und nach einer Kontaktaufnahme mit der Tochter erkannte es die Täuschung. 20 Minuten nach der Freigabe der Zahlungen informierte es bereits den Kundenservice seiner Bank und ließ das Konto sperren. Trotzdem wurden die Beträge zwei Tage später vom Girokonto abgebucht. Die Bank meinte, es sei nicht mehr möglich gewesen, die Vorgänge zu stoppen. Deshalb lehnte sie eine Rückerstattung ab, woraufhin das Ehepaar klagte.

Das LG wies die Klage ab. Wer auf Betrüger hereinfällt und im Onlineverfahren eine Echtzeitüberweisung freigibt, kann nicht darauf hoffen, dass die Bank den Schaden ersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn schon Minuten später der Schwindel bemerkt und über den Kundenservice das Konto gesperrt wird. Ein Widerruf bei Echtzeitüberweisungen ist nur bis zum Zugang der Freigabe bei der Bank möglich. Die Tatsache, dass die Abbuchung erst zwei Tage später erfolgt ist, änderte nichts am Ergebnis. Es war zwischen dem Geldausgang, der schon wenige Sekunden nach der Onlinefreigabe erfolgt war, und dem Zeitpunkt der Belastung des Kontos zu unterscheiden.

Hinweis: Bestenfalls fallen Betroffene nicht auf einen Betrüger herein. Bei jeder Überweisung sollte nochmals genau nachgedacht werden, ob wirklich alles mit rechten Dingen zugeht.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.10.2024 - 7 O 154/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2025)

Vorgegaukelter Prozessgewinn: Falschinformationen führen zu Schadensersatzansprüchen gegenüber Anwaltssozietät

Dass Geschäftsleute Geld investieren, das noch nicht auf dem Konto verbucht ist, mag einleuchten - vor allem, wenn die eigenen Rechtsanwälte vorgeben, dass eine beträchtliche Summe quasi auf dem Weg sei. So beunruhigend es sein mag, dass eine als so integer angesehene Berufsgruppe sich offensichtlich vollkommen falsch verhalten kann, so beruhigend eindeutig fiel dann aber das Urteil des Landgerichts Oldenburg (LG) gegen die Sozietät zweier Anwälte aus.

Dass Geschäftsleute Geld investieren, das noch nicht auf dem Konto verbucht ist, mag einleuchten - vor allem, wenn die eigenen Rechtsanwälte vorgeben, dass eine beträchtliche Summe quasi auf dem Weg sei. So beunruhigend es sein mag, dass eine als so integer angesehene Berufsgruppe sich offensichtlich vollkommen falsch verhalten kann, so beruhigend eindeutig fiel dann aber das Urteil des Landgerichts Oldenburg (LG) gegen die Sozietät zweier Anwälte aus.

Die beiden Rechtsanwälte hatten angeblich einen Rechtsstreit zu Regressforderungen gewonnen und der Mandantin, einer Geschäftsführerin einer GmbH & Co. KG, mitgeteilt, dass sie in einer Abmahnsache ein Urteil über 1.200.000 EUR zuzüglich Zinsen gegen eine Gesellschaft erwirkt hätten. Das entsprach jedoch nicht der Wahrheit. Vielmehr war die Klage abgewiesen worden, nachdem für die Gesellschaft im Verhandlungstermin kein Antrag gestellt worden war. Somit war die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Die Geschäftsführerin und deren Ehemann erwarteten also im falschen Glauben eine größere Summe Geld, mit der sie sich einen Lebenstraum durch Kauf eines Hauses erfüllen wollten - sie schlossen einen Grundstückskaufvertrag über 429.000 EUR ab. Die besagten Rechtsanwälte wurden hier beratend tätig, vertrösteten in der Folgezeit die Geschäftsführerin immer wieder mit Ausreden und behaupteten gar, dass ihr noch ein weiterer Schadensersatzanspruch von 500.000 EUR zustände. Als letztendlich der Grundstückskaufpreis nicht gezahlt wurde, trat die Verkäuferseite vom Grundstückskaufvertrag zurück und machte einen Schaden von 59.000 EUR geltend. Diese Summe verlangten die Gesellschafterin und der Ehemann verständlicherweise von den Rechtsanwälten ersetzt.

Das LG hat die gemeinsame Sozietät der Anwälte tatsächlich zur Zahlung in der geforderten Höhe verpflichtet, denn es bejahte aufgrund der Falschinformationen den Schadensersatzanspruch. Die Angelegenheit ist zwar noch nicht rechtskräftig, vieles spricht jedoch für die Richtigkeit der Entscheidung.

Hinweis: Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege und genießen in der Regel großes Vertrauen. Wie es sich mit Menschen und ihren Schwächen aber immer wieder verhält, gibt wieder es auch manchmal Vertreter dieses Berufsstands, die vom rechten Weg abkommen. In aller Regel wird straffällig gewordenen Anwälten aber dann auch verboten, weiterhin als Anwalt tätig zu sein.
 
 
 


Quelle: LG Oldenburg, Urt. v. 26.11.2024 - 16 O 3043/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2025)

Keine Prozessvoraussetzung: Bei einer Entziehungsklage ist kein vorheriger Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vonnöten

Eigentum verpflichtet, da Eigentum nicht nur dem Eigentümer selbst, sondern auch der Gemeinschaft nützen soll oder dieser zumindest nicht schaden darf. Das Amtsgericht Lörrach (AG) musste eine Entscheidung zur Entziehung von Eigentum fällen, bei dem diese Gesichtspunkte nicht mehr gewahrt wurden. Das ist sicherlich ein nicht alltäglicher Fall.

Eigentum verpflichtet, da Eigentum nicht nur dem Eigentümer selbst, sondern auch der Gemeinschaft nützen soll oder dieser zumindest nicht schaden darf. Das Amtsgericht Lörrach (AG) musste eine Entscheidung zur Entziehung von Eigentum fällen, bei dem diese Gesichtspunkte nicht mehr gewahrt wurden. Das ist sicherlich ein nicht alltäglicher Fall.

Es ging hier um einen Streit in einer Wohnungseigentumsanlage. Eine Eigentümerin war in einem Vorprozess rechtskräftig verurteilt worden, dafür zu sorgen, dass aus ihrer Wohnung kein starker Geruch und Gestank nach draußen dringt. Als dann ein Problem mit einem Leck im Abwasserrohr aufgetreten war, bestand die Vermutung, dass sich dieses Leck im Bad dieser Eigentümerin befindet. Einem Handwerker gewährte die Eigentümerin zur Leckortung zwar Zugang zu ihrer Wohnung, dies aber nur theoretisch. Praktisch weigerte sich der Handwerker nämlich schon nach wenigen Schritten, weiter in die Wohnung zu gehen, da er um seine Gesundheit fürchtete. Er teilte mit, dass die Wohnung mit Müll vollgestellt und kaum ein Weg zum Bad frei sei. Er hätte über Gegenstände steigen müssen, die im Flur hoch aufgetürmt waren. Viel schlimmer sei aber gewesen, dass bei jedem Schritt eine stinkende Flüssigkeit aus dem Laminat drang. Deshalb beauftragte die Wohnungseigentümergemeinschaft durch einem Umlaufbeschluss den Verwalter, das Wohneigentum zu entziehen.

Der Umlaufbeschluss war zwar rechtswidrig, was zur Nichtigkeit des Beschlusses führte. Schließlich hätten alle Wohnungseigentümer einem Verfahren im Umlaufbeschluss zustimmen müssen. Das war jedoch hier nicht weiter dramatisch, da ein solcher Beschluss laut AG in diesem Fall erst gar nicht erforderlich gewesen sei: Bei einer Entziehungsklage ist ein vorheriger Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keine Prozessvoraussetzung. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) impliziert die Pflicht, die Wohnung in einem Zustand zu halten, um nötige Einwirkungen durchführen lassen zu können, die für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Da die Wohnungseigentümerin jahrelang gegen ihre Verpflichtungen aus dem WEG verstoßen hatte, war ein geordnetes Zusammenleben nicht mehr möglich. Das Gemeinschaftsverhältnis war den anderen Wohnungseigentümern somit nicht (mehr) zuzumuten. Deshalb wurde das Wohneigentum eingezogen, und das AG hat die Wohnungseigentümerin dazu verurteilt, ihr Wohnungseigentum zu veräußern.

Hinweis: Miteigentümer, die sich nicht an die Gemeinschafts- oder Hausordnung halten, können also gezwungen werden, ihre Wohnungen zu verkaufen. Dies ist zwar kein einfaches Vorhaben für die übrigen Miteigentümer, jedoch durchaus möglich. Voraussetzung bleibt natürlich, dass eine erhebliche Vertragsverletzung vorliegt.


Quelle: AG Lörrach, Urt. v. 16.12.2024 - 3 C 855/23 WEG
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Selbst bei Familienmitgliedern: Ausbleibende Wohnungsbesichtigung bei Eigenbedarf spricht für eine unzulässige Vorratskündigung

Die Angst davor, seinen Wohnraum zu verlieren, wird in den aktuellen Zeiten nicht geringer. Daher bewegt Mieter das Thema der Eigenbedarfskündigungen, das wie eine Art Damoklesschwert besonders in urbanen Wohngebieten über ihren Köpfen schwebt, in besonders hohem Maße. Dieses Urteil des Amtsgerichts Hamburg (AG) bringt wieder etwas mehr Licht in das Thema.

Die Angst davor, seinen Wohnraum zu verlieren, wird in den aktuellen Zeiten nicht geringer. Daher bewegt Mieter das Thema der Eigenbedarfskündigungen, das wie eine Art Damoklesschwert besonders in urbanen Wohngebieten über ihren Köpfen schwebt, in besonders hohem Maße. Dieses Urteil des Amtsgerichts Hamburg (AG) bringt wieder etwas mehr Licht in das Thema.

Ein Vermieter hatte eine Mietwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Zur Begründung gab er an, dass seine Tochter nach Abschluss ihrer Ausbildung plane, ihren Lebensmittelpunkt von Schweden nach Hamburg zu verlegen. Dabei wurde in der Kündigung darauf hingewiesen, dass sich die Tochter bereits sich auf verschiedene Jobangebote in Hamburg beworben habe. Die Wohnung selbst habe sie bei den Gelegenheiten nie besichtigt. Schließlich erhob der Vermieter eine Räumungsklage. Diese endete allerdings mit einer übereinstimmenden Erledigungserklärung, mit der der Mieter in seiner Wohnung bleiben konnte.

Vor dem AG ging es schließlich noch um die Kosten des Rechtsstreits. Diese musste der Vermieter übernehmen. Das Gericht hatte diesem nämlich nicht geglaubt, dass tatsächlich ein berechtigter Grund für eine Eigenbedarfskündigung vorgelegen habe. Soweit die Eigenbedarfskündigung damit begründet wurde, die Tochter plane, nach Abschluss ihrer Ausbildung ihren Lebensmittelpunkt aus dem Ausland nach Hamburg zu verlegen, handelte es sich um eine unzulässige Vorratskündigung. Die unterbliebene Besichtigung der Wohnung hat das Gericht als ein gewichtiges Indiz gegen eine hinreichende Verfestigung des Eigenbedarfs gewertet.

Hinweis: Wenn ein Familienmitglied des Vermieters in eine Mietwohnung einziehen möchte, dürfte es selbstverständlich sein, dass es diese zuvor besichtigt. Wird eine solche Besichtigung nicht durchgeführt, spricht das dafür, dass der Eigenbedarfsgrund nur vorgeschoben ist.


Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 20.12.2024 - 49 C 154/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Außergewöhnliche Umstände: Verzögerung wegen Fluglotsenstreiks sind aus Gesamtverspätung zeitlich herauszurechnen

Bei der schnellen Betrachtung von Entscheidungen zu Fluggastrechten kann der Eindruck entstehen, dass man als Passagier im Fall einer Verspätung oder Annullierung Klagen eigentlich nur gewinnen kann. Doch weit gefehlt, denn dass auch Fluggesellschaften bei der Einhaltung zugesagter Flugzeiten manchmal machtlos sind, findet vor den Gerichten ebenfalls Berücksichtigung - so wie bei dieser Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken (LG).

Bei der schnellen Betrachtung von Entscheidungen zu Fluggastrechten kann der Eindruck entstehen, dass man als Passagier im Fall einer Verspätung oder Annullierung Klagen eigentlich nur gewinnen kann. Doch weit gefehlt, denn dass auch Fluggesellschaften bei der Einhaltung zugesagter Flugzeiten manchmal machtlos sind, findet vor den Gerichten ebenfalls Berücksichtigung - so wie bei dieser Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken (LG).

Eine Frau hatte einen Flug gebucht, der um 10:25 Uhr sein Ziel erreichen sollte. Tatsächlich kam es aufgrund eines Fluglotsenstreiks und aufgrund weiterer Umstände zu einer Verspätung von insgesamt drei Stunden und 59 Minuten. Dabei war dem Streik ein Anteil der Verspätung von einer Stunde und 49 Minuten zuzurechnen. Das mag kleinlich klingen, denn am Ende waren es ja insgesamt knapp vier Stunden Verspätung. Doch an dem Ausgang des Verfahrens ändert diese Aufrechnung alles. Denn sie trug Schuld daran, dass die Passagierin die begehrte Ausgleichszahlung nicht erhielt.

In den Augen des LG hatte die Fluggesellschaft durchaus alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Verspätung zu verhindern. Daher war die aufgrund der Streikmaßnahmen entstandene Verzögerung aus der Gesamtzeit herauszurechnen - womit eine Verspätung von zwei Stunden und zehn Minuten verblieb, die der Gesellschaft anzurechnen sei. Aber: Eine Verspätung von unter drei Stunden gilt nicht als große Verspätung und führt daher auch nicht zu einem Ausgleichsanspruch. Deswegen hat die Frau die Klage verloren.

Hinweis: Wer Ausgleichszahlungen aufgrund der Verspätung oder des Ausfalls eines Fliegers haben möchte, kann den Rechtsanwalt seines Vertrauens fragen. Wichtig ist stets, die Beweise zu sichern, insbesondere, welche Verspätung genau aufgetreten ist.


Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 10.10.2024 - 13 S 20/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2025)

Keine Mietminderung: Gebrauchstauglichkeit einer Wohnung trotz Furcht vor erneuter Schimmelbildung gegeben

Mietrechtsurteile zu Schimmelbildung, deren Ursachen und Verantwortlichkeiten gab es schon zuhauf. Doch wenn man meint, das Thema sei im Groben bereits ausgeurteilt, tauchen Fälle wie dieser des Amtsgerichts Köln (AG) auf. Dieses hatte sich nicht nur mit einer (zuvor) verschimmelten Wohnung befassen müssen, sondern musste auch die interessante Detailfrage klären, ob allein schon die Befürchtung, dass Schimmel zurückkehren könne, die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung einschränkt.

Mietrechtsurteile zu Schimmelbildung, deren Ursachen und Verantwortlichkeiten gab es schon zuhauf. Doch wenn man meint, das Thema sei im Groben bereits ausgeurteilt, tauchen Fälle wie dieser des Amtsgerichts Köln (AG) auf. Dieses hatte sich nicht nur mit einer (zuvor) verschimmelten Wohnung befassen müssen, sondern musste auch die interessante Detailfrage klären, ob allein schon die Befürchtung, dass Schimmel zurückkehren könne, die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung einschränkt.

In einem Mietverhältnis gab es erheblichen Streit über Feuchtigkeit in der Mietwohnung. Der Mieter verlangte unter anderem die Beseitigung der Schäden, die der Vermieter teilweise vornahm und auch teilweise ablehnte, da für die Feuchtigkeit auch das Verhalten des Mieters ursächlich gewesen sei. Interessant wurde der Fall an der Stelle, an der der Mieter schließlich die Rückzahlung bereits gezahlter Mieten verlangte und die Sache damit vor das AG ging.

Das Gericht stellte fest, dass es im Zeitraum der begehrten Mietrückzahlung gar keinen Schimmel in der Wohnung gegeben habe, da der Vermieter diesen hatte beseitigen lassen. Diese Beseitigung sei zwar nicht nachhaltig gewesen, da die Ursachen des baubedingt veranlassten Schimmels nicht beseitigt worden waren, dennoch war die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch - also zum Wohnen - nicht gemindert. Es war zum fraglichen Zeitraum schlichtweg kein Schimmel in der Wohnung mehr vorhanden. Und allein die psychische Gewissheit, dass er wieder auftauchen könne, führe nach Ansicht des AG nicht zu einer Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung. Erst mit dem erneuten Auftreten von Schimmel und ab dessen Anzeige beim Vermieter stehe einem Mieter ein solcher Minderungsanspruch zu.

Hinweis: Wird ein Mangel in der Wohnung festgestellt, sollte der Mieter unverzüglich eine Anzeige des Mangels gegenüber dem Vermieter abgeben. Denn nur so ist dieser in der Lage, den Mangel auch zu beseitigen. Daneben ist es sicherlich sinnvoll, die Beweise zu sichern, also Fotos von dem Mangel zu machen.


Quelle: AG Köln, Urt. v. 04.09.2024 - 206 C 17/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Entschädigungsanspruch: Verlegung eines Flugs um mehr als 24 Stunden kommt Annullierung gleich

Wer in Sachen Fluggastrechte meint, es wären alle Fragen beantwortet, irrt. Denn immer wieder müssen neue Konstellationen rechtlich auf EU-Konformität geprüft werden. Im Folgenden war zu klären, ob eine Verlegung eines Flugs von mehr als 24 Stunden einer Annullierung gleichkommt. Die Antwort gab das Amtsgericht Köln (AG).

Wer in Sachen Fluggastrechte meint, es wären alle Fragen beantwortet, irrt. Denn immer wieder müssen neue Konstellationen rechtlich auf EU-Konformität geprüft werden. Im Folgenden war zu klären, ob eine Verlegung eines Flugs von mehr als 24 Stunden einer Annullierung gleichkommt. Die Antwort gab das Amtsgericht Köln (AG).

Es ging um eine insgesamt sechsköpfige Reisegruppe, die am 27.01.2022 nach Barcelona fliegen wollte. Der Flug sollte planmäßig um 17:15 Uhr lokaler Zeit starten und das Ziel um 19:25 Uhr lokaler Zeit erreichen. Allerdings startete das Flugzeug erst am Abend des 28.01.2022. Die Änderung der Flugzeiten nahm die Fluggesellschaft bereits im Dezember vor. Drei Personen wurden sodann am 28.01.2022 nach Barcelona befördert, ihre Ankunft lag bei 23:49 Uhr lokaler Zeit. Die anderen drei traten den Flug schon gar nicht mehr an. Alle sechs verlangten nun eine Entschädigung.

Nach Auffassung des AG liegt bei einer Verlegung eines Flugs um mehr als 24 Stunden eine Annullierung vor. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verhält sich ausdrücklich nur zu einer Verlegung um weniger als drei Stunden und lässt nicht den Schluss zu, dass eine Annullierung auszuschließen sei, wenn ein Flug unter Beibehaltung von Flugnummer und Flugroute auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wird. Daher ging das Kölner Gericht bei einer Verlegung eines Flugs um mehr als 24 Stunden vor einer Annullierung aus - die klagenden Passagiere erhielten jeweils 250 EUR.

Hinweis: Hat ein Flug eine Verspätung von mehr als drei Stunden, spricht viel dafür, dass ein Anspruch auf eine Entschädigung besteht. Der Entschädigungsanspruch verjährt in drei Jahren.


Quelle: AG Köln, Urt. v. 14.11.2024 - 126 C 405/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 03/2025)

Gefahren statt geschoben: Geschwänzte MPU nach Trunkenheitsfahrt auf Pedelec zieht Entzug der Fahrerlaubnis nach sich

Wer die als "Idiotentest" verschriene Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach Aufforderung nicht beibringt, muss mit den entsprechenden Konsequenzen leben. Sich darauf zu berufen, dass die Behörde irre, weil alles anders sei, als es den Anschein erwecke, und deswegen der Entzug der Fahrerlaubnis nicht rechtens sei, ist meist zum Scheitern verurteilt - wie auch hier vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG).

Wer die als "Idiotentest" verschriene Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach Aufforderung nicht beibringt, muss mit den entsprechenden Konsequenzen leben. Sich darauf zu berufen, dass die Behörde irre, weil alles anders sei, als es den Anschein erwecke, und deswegen der Entzug der Fahrerlaubnis nicht rechtens sei, ist meist zum Scheitern verurteilt - wie auch hier vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG).

Ein Fahrradfahrer wurde neben seinem Pedelec liegend auf der Fahrbahn gefunden. Es wurde eine Blutalkoholkontrolle gemacht, die 2,02 ‰ ergab. Der Vorgang wurde daraufhin von der Polizei an die Fahrerlaubnisbehörde weitergegeben, die eine MPU anordnete. Als diese nicht beigebracht wurde, wurde der Sofortvollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen diese Anordnung legte der Betroffene Rechtsmittel ein und forderte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Er argumentierte, dass er das Fahrrad geschoben und kein Fahrzeug geführt habe.

Der Antrag wurde vom VG jedoch abgewiesen. Der Antragsgegner, die die MPU anordnende Fahrerlaubnisbehörde, durfte die Beibringung des Gutachtens anordnen. Denn hiermit sollte folgende Frage geklärt werden: Ist zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellen? Die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung waren erfüllt. Denn ungeeignet ist derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt. Demnach darf die Fahrerlaubnisbehörde also auf die Nichteignung eines Betroffenen schließen, wenn dieser ein von ihr zur Aufklärung von Eignungszweifeln gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Das setzt allerdings voraus, dass die Anordnung der Gutachtenbeibringung rechtmäßig ist. Zwar habe niemand tatsächlich gesehen, dass der Mann auch auf seinem Pedelec gefahren sei - aufgrund der Situation, in der er vorgefunden wurde, sei aber davon auszugehen, dass dem so war. Hierfür sprachen die erlittenen Verletzungen, die Spuren an Rad, Helm und Handschuh, die Blutflecken auf der Straße sowie das Ergebnis der Blutuntersuchung. Die vorzunehmende Interessenabwägung durch die Behörde habe daher zu Recht ergeben, dass davon auszugehen sei, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hatte.

Hinweis: Der Begriff des Führens eines Fahrzeugs im Sinne des hier einschlägigen § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Fahrerlaubnis-Verordnung deckt sich mit dem des § 316 Strafgesetzbuch und des § 24a Straßenverkehrsgesetz (jeweils Trunkenheitsfahrt). Selbst wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es. Nur das Schieben eines Fahrrads erfüllt nicht den Begriff des Führens.


Quelle: VG Köln, Beschl. v. 14.11.2024 - 6 L 1821/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Postmortale Testierfähigkeitsprüfung: Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Zeugenbefragung unabdingbar

Das Gesetz geht davon aus, dass Personen ab dem 16. Lebensjahr grundsätzlich testierfähig sind. Wer aber aufgrund einer krankheitsbedingten Störung der Geistestätigkeit nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen, kann kein wirksames Testament errichten. Besteht ein Streit darüber, ob ein Erblasser testierfähig war, muss dies unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen aufgeklärt werden - und zwar konsequent, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) darlegt.

Das Gesetz geht davon aus, dass Personen ab dem 16. Lebensjahr grundsätzlich testierfähig sind. Wer aber aufgrund einer krankheitsbedingten Störung der Geistestätigkeit nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen, kann kein wirksames Testament errichten. Besteht ein Streit darüber, ob ein Erblasser testierfähig war, muss dies unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen aufgeklärt werden - und zwar konsequent, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) darlegt.

Die unverheiratet und kinderlos verstorbene Erblasserin hatte ein eigenhändiges Testament errichtet und die Tochter eines Cousins als Alleinerbin eingesetzt. Da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bereits unter Betreuung stand, lehnte das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag unter Bezugnahme auf Unterlagen aus dem Betreuungsverfahren jedoch ab. Es könne davon auszugehen sein, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments nicht testierfähig war. Aufgrund der schon hiergegen eingelegten Beschwerde zum OLG veranlasste das Nachlassgericht die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass auf der ersten Beurteilungsebene wegen einer nicht näher bezeichneten Demenz der Erblasserin eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit bejaht werden könne. Auf der zweiten Beurteilungsebene hinsichtlich des Einflusses der Störung auf die Testierfähigkeit könne jedoch keine abschließende psychiatrische Beurteilung erfolgen, da es sich widersprechende schriftliche Angaben der privaten Kontaktpersonen gegeben habe. Daraufhin veranlasste das Nachlassgericht die mündliche Anhörung von vier Nachbarn der Erblasserin. Der Sachverständige wurde zu dieser Anhörung jedoch nicht hinzugezogen. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag daraufhin erneut zurück.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum OLG war erfolgreich. Dieses wies darauf hin, dass das Nachlassgericht den Sachverständigen zur Befragung der Zeugen hätte hinzuziehen müssen, um eine fundierte Einschätzung der Testierfähigkeit vornehmen zu können. Dem Sachverständigen hätte damit die Gelegenheit gegeben werden müssen, selbst Fragen an die Zeugen zu richten. Dem Nachlassgericht selbst fehle die Sachkunde, ohne sachverständige Hilfe die Testierfähigkeit eines Erblassers allein aufgrund von ihm eingeholter Zeugenaussagen festzustellen. Das Verfahren wurde an das Nachlassgericht zurückgegeben.

Hinweis: Steht die Frage der Testierfähigkeit im Raum, ist nicht der Rechtspfleger für die Befragung von Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zuständig; vielmehr ist das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 18.12.2024 - 33 Wx 153/24 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)