Neuigkeiten - Recht

Rückwirkungsverbot nach Verlust? Verwaltungsgericht lehnt Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Führerscheins ab

Dieser Fall steht unter dem Motto "Erst kleckern, dann klotzen": Den verlorenen Führerschein vier Monate suchen, bevor ein Ersatzdokument beantragt wird, obwohl bereits der neuere Kartenführerschein hätte beantragt sein müssen? Und dann meinen, dass die jetzt übliche 15-Jahresbefristung durch ein Rückwirkungsverbot nicht greife? Diese Argumentationskette war ein Fall für das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG). Und das sah die Sache klarer, als sie scheint.

Dieser Fall steht unter dem Motto "Erst kleckern, dann klotzen": Den verlorenen Führerschein vier Monate suchen, bevor ein Ersatzdokument beantragt wird, obwohl bereits der neuere Kartenführerschein hätte beantragt sein müssen? Und dann meinen, dass die jetzt übliche 15-Jahresbefristung durch ein Rückwirkungsverbot nicht greife? Diese Argumentationskette war ein Fall für das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG). Und das sah die Sache klarer, als sie scheint.

Ein Autofahrer hatte seinen Führerschein verloren. Daraufhin beantragte er einen neuen Führerschein. Auf diesen Antrag hin wurde ihm 2023 statt des Papierformats ein Kartenführerschein ausgestellt. Dieser Führerschein wurde auf das Jahr 2038, also auf 15 Jahre, befristet. Gegen diese Befristung setzte sich der Betroffene zur Wehr. Die nachträgliche Befristung eines ursprünglich vor dem 19.01.2013 ausgestellten Führerscheins verletze das Rückwirkungsverbot. Durch die Befristung bestünde die Gefahr, sich bei der Fahrerlaubnisbehörde vorstellen zu müssen, die bei dieser Gelegenheit bei aufkommenden Zweifeln an der Fahreignung ordnungsrechtliche Maßnahmen anordnen könnte.

Der Antrag wurde durch das VG zurückgewiesen. Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung eines Führerscheins ohne Gültigkeitsdauer stehe unter anderem der Einwand von Treu und Glauben entgegen. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob auch ein Ersatzdokument befristet ausgestellt werden dürfe, stelle sich nur, weil er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen war, bis zum 19.01.2023 seinen alten Papierführerschein in einen Kartenführerschein umzutauschen. Hätte er sich "fahrerlaubnisverordnungskonform" verhalten, wäre ihm spätestens mit Ablauf des 19.01.2023 ein Kartenführerschein ausgestellt worden, dessen Gültigkeit nach Maßgabe des § 24a Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung auf 15 Jahre zu befristen gewesen wäre. Gänzlich unglaubhaft ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger rund vier Monate lang seinen Führerschein gesucht haben will, bevor er einen Ersatzführerschein beantragte. Es sei einer Suche zwar eine gewisse Dauer zuzubilligen, dass der Kläger hierfür aber Monate aufgewendet haben soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar und wurde von ihm zudem auch nicht näher plausibilisiert. Es ist damit vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger nach Verstreichen des Stichtags am 19.01.2023 seinen Führerschein verloren und daraufhin den "Antrag auf Umstellung in einen Kartenführerschein" gestellt hat. Sich in so einem Kontext auf ein Rückwirkungsverbot zu berufen, ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben.

Hinweis: Die in der Richtlinie 2006/126/EG verankerte begrenzte Gültigkeitsdauer für Führscheine zielt auf die Verringerung von Betrugsmöglichkeiten ab. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn unterschiedslos alle Führerscheine erfasst werden und nicht zwischen Führerscheinen und Ersatzdokumenten unterschieden wird.


Quelle: VG Karlsruhe, Urt. v. 31.10.2024 - 12 K 2977/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Fehlende Rechtsgrundlage: Fahrradstraße scheitert wegen fehlenden Nachweises zur Gefahrenlage des Straßenverkehrs

Dass Bürger nicht einfach Schilder aufstellen dürfen - auch keine mit augenscheinlichem Allgemeinnutzen -, war bereits des Öfteren Thema vor den Gerichten. Dass aber auch Kommunen diesbezüglich nicht schalten und walten dürfen, wie es ihnen sinnvoll erscheint, war Kern dieses Falls, den das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) bewerten musste.

Dass Bürger nicht einfach Schilder aufstellen dürfen - auch keine mit augenscheinlichem Allgemeinnutzen -, war bereits des Öfteren Thema vor den Gerichten. Dass aber auch Kommunen diesbezüglich nicht schalten und walten dürfen, wie es ihnen sinnvoll erscheint, war Kern dieses Falls, den das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) bewerten musste.

In einem innerstädtischen Bereich ordnete die Kommune die Einrichtung einer Fahrradstraße sowie ein Abbiegeverbot an. Dagegen setzte sich ein anliegender Gewerbebetrieb zur Wehr. Dessen Geschäftsführer war der Ansicht, dass eine entsprechende Anordnung nur erfolgen dürfe, wenn sich der Grund aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergebe. Dies sei hier nicht der Fall. Es wurde daher im Eilverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung des Einspruchs wiederherzustellen.

Das VG gab dem Antrag statt. Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung setzt eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs voraus. Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind zudem nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sei. Wenn sich die Straßenverkehrsbehörde für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheide, sei sie vor Erlass zur Prüfung der objektiven Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet. Gemessen hieran ist hier jedoch eine objektive Gefahrenlage für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs von der Kommune nicht im Ansatz dargelegt worden. Eine Ausübung ihres Ermessens zu Fragen der Sicherheit des Straßenverkehrs für die verkehrsregelnde Anordnung ist im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht erkennbar. Vielmehr scheint es vorrangig darum gegangen zu sein, den "deutlich zu vielen Autoverkehr" irgendwie zu beschränken, um die Attraktivität und Aufenthaltsqualität der betroffenen Straße zu steigern. Es wurde daher keine ausreichende Rechtsgrundlage dargelegt, und auch die Ermessensausübung war fehlerhaft. Daher war die Anordnung aufzuheben.

Hinweis: Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen dürfen nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. "Zwingend erforderlich" ist ein Verkehrszeichen nur dann, wenn es die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist.


Quelle: VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 08.11.2024 - 14 L 1721/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Überstreichen bunter Wände: Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel hat für Vermieter weitere Folgen

In den letzten Jahren hat sich im Mietrecht höchstrichterlich viel getan, was die Zulässigkeit von Vertragsklauseln zu sogenannten Schönheitsreparaturen betrifft - oft zugunsten der Mieter. Nun war das Amtsgericht Hanau (AG) mit dem Thema betraut und sah in der Unwirksamkeit eben jener Mietvertragsklausel weitere Konsequenzen bei Schäden an der Mietsache auf Vermieter zukommen.

In den letzten Jahren hat sich im Mietrecht höchstrichterlich viel getan, was die Zulässigkeit von Vertragsklauseln zu sogenannten Schönheitsreparaturen betrifft - oft zugunsten der Mieter. Nun war das Amtsgericht Hanau (AG) mit dem Thema betraut und sah in der Unwirksamkeit eben jener Mietvertragsklausel weitere Konsequenzen bei Schäden an der Mietsache auf Vermieter zukommen.

In einem Mietvertrag war die Durchführung von Schönheitsreparaturen auf die Mieter übertragen worden. Allerdings war die Klausel nach der ständigen Rechtsprechung unwirksam, da die Mieter zu oft hätten streichen müssen. Die Wände strichen sie dann in gelb, grün und rosa. Nach Beendigung des Mietvertrags und Rückgabe der Wohnung sah der Vermieter diese Farbwahl als Schaden an der Mietsache an, aufgrund dessen der Nachmieter die Annahme der Wohnung verweigert habe. Er verlangte deshalb die Kosten des Streichens der Wohnung in Höhe von knapp 5.000 EUR sowie einen Ausgleich der Kosten für die verspätete Weitervermietung. Schließlich klagte er seine Forderung ein.

Das Geld erhielt er vom AG jedoch nicht zugesprochen. Selbst wenn der Vermieter Schadensersatzansprüche gegen den Mieter aufgrund eines vertragswidrigen Zustands der Mietsache hätte, muss er sich diese in Fällen wie diesem selbst anrechnen lassen. Schließlich waren die Schönheitsreparaturen nicht bzw. nicht wirksam auf den Mieter abgewälzt worden, so dass der Vermieter auch jene Kosten tragen muss, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten im laufenden Mietverhältnis gespart hat. Durch die Unwirksamkeit der Renovierungsklausel hätte der Vermieter diese laufenden Schönheitsreparaturen nämlich durchführen (lassen) müssen. Das hat er jedoch nicht getan - die ersparten Aufwendungen muss er sich nun daher auch anrechnen lassen.

Hinweis: Vermieter sollten stets aktuelle Mietverträge verwenden. Nur so können sie die ständig wechselnde Gesetzeslage und Rechtsprechung berücksichtigt wissen. Falls Mieter wissen möchten, ob ihre Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag wirksam ist, sollten sie den Vertrag von einem Rechtsanwalt prüfen lassen.


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 29.11.2024 - 32 C 265/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Ende vom Homeoffice: Rechtmäßige Anordnung der Vor-Ort-Präsenz setzt sachliches Interesse des Arbeitgebers voraus

Was während der Corona-Pandemie noch als Zukunftsmodell der Arbeit gepriesen wurde, legt zunehmend den Rückwärtsgang ein: Arbeit im Homeoffice. Doch so einfach, wie es sich die Unternehmen oft vorstellen, ist der Weg zurück in die Vor-Ort-Präsenz nicht. So musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) mit der Frage beschäftigen, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zurückbeordern kann.

Was während der Corona-Pandemie noch als Zukunftsmodell der Arbeit gepriesen wurde, legt zunehmend den Rückwärtsgang ein: Arbeit im Homeoffice. Doch so einfach, wie es sich die Unternehmen oft vorstellen, ist der Weg zurück in die Vor-Ort-Präsenz nicht. So musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) mit der Frage beschäftigen, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zurückbeordern kann.

Der betreffende Projektmanager arbeitete seit 2017 für seine Arbeitgeberin, ein Planungs- und Projektmanagementbüro für die Autozulieferindustrie. Er entwickelte jeweils projektbezogen nach den konkreten Anforderungen der einzelnen Kunden Industrielösungen entlang der gesamten Prozesskette - und zwar zu 80 % aus dem Homeoffice oder bei den Kunden des Autozulieferers. Nach seinem Arbeitsvertrag bezog sich sein Einsatzort je nach Projekt auf die gesamte Unternehmensgruppe, die von verschiedenen deutschen Standorten aus operierte. Dann entschied sich die Arbeitgeberin, den Standort des Unternehmens zu schließen, an dem der Arbeitnehmer grundsätzlich beschäftigt war. Sie versetzte ihn an einen 500 km entfernten Arbeitsplatz und widerrief die Erlaubnis, im Homeoffice zu arbeiten. Zugleich kündigte sie vorsorglich das Arbeitsverhältnis - verbunden mit dem Angebot, es zu geänderten Arbeitsbedingungen am neuen Standort fortzusetzen.

Das wollte sich der Arbeitnehmer nicht gefallen lassen und erhob eine Kündigungsschutzklage sowie eine Klage gegen die Versetzung. Insbesondere berief er sich darauf, dass die Arbeitgeberin statt der Änderungskündigung als milderes Mittel jedenfalls das Angebot eines Homeofficearbeitsplatzes hätte anbieten müssen.

Das sah das LAG nicht anders: Sowohl die Versetzung als auch die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung waren unwirksam. Das Gericht wies darauf hin, dass die Arbeitgeberin bei der Erteilung von Weisungen wie der Streichung des Homeoffice billiges Ermessen zu berücksichtigen habe. Sie hätte demnach die berechtigten Belange des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen müssen. Und hier überwogen die Interessen des Arbeitnehmers. Das LAG wies ferner darauf hin, dass es ein überwiegendes sachliches Interesse der Arbeitgeberin benötige, um eine Versetzung aus dem Homeoffice von einem Ort, wo der Arbeitnehmer familiär, logistisch im Freundeskreis und in der Kultur verortet ist, in ein 500 km entferntes Büro durchsetzen zu können. Das hielt das Gericht hier nicht für gegeben. Zwar sei die Versetzung wegen der Betriebsschließung notwendig gewesen. Das galt jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht für den Widerruf der Homeofficeerlaubnis.

Hinweis: Es ist also nicht immer einfach, per Direktionsrecht einen Arbeitnehmer zurück in den Betrieb zu versetzen. Denn stets ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.


Quelle: LAG Köln, Urt. v. 11.07.2024 - 6 Sa 579/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Postmortale Vollmacht: Bevollmächtigte können Nacherbenvermerk im Grundbuch löschen lassen

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen (OLG) musste im Folgenden die Frage beantworten, ob eine Vollmacht, die auch nach dem Tod des Erblassers zur Vertretung des Vorerben gelten sollte, auch zur Vertretung von Nacherben berechtigt. Anlass gab hierzu eine abgelehnte Löschung eine Nacherbenvermerks.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen (OLG) musste im Folgenden die Frage beantworten, ob eine Vollmacht, die auch nach dem Tod des Erblassers zur Vertretung des Vorerben gelten sollte, auch zur Vertretung von Nacherben berechtigt. Anlass gab hierzu eine abgelehnte Löschung eine Nacherbenvermerks.

Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin eines Grundstücks und als befreite Vorerbin im Grundbuch eingetragen. Zudem war im Grundbuch vermerkt, dass eine Nacherbfolge angeordnet war. Der Erblasser hatte zwei Personen durch notarielle Urkunde eine Generalvollmacht erteilt, die auch über den Tod des Erblassers hinaus Bestand haben sollte. Die Bevollmächtigten sollten befugt sein, jede Rechtshandlung, die der Erblasser auch selbst vornehmen könnte, an seiner statt mit derselben Wirkung vorzunehmen. Die Eigentümerin beantragte schließlich gemeinsam mit eben jenen Bevollmächtigten in notariell beglaubigter Form die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch. Das Amtsgericht wies diesen Antrag mit dem Hinweis zurück, dass bereits bekannte Nacherben angehört werden müssten. Gegen diese Entscheidung legte die Eigentümerin Beschwerde ein und argumentierte damit, dass eine Anhörung nicht notwendig sei, weil die Bevollmächtigten die Löschung auch im Namen der Nacherben abgegeben hätten.

Dieser Ansicht schloss sich auch das OLG im Ergebnis an. Die Vollmacht enthielt eine ausdrückliche Regelung, dass sie auch nach dem Tod des Erblassers gelten solle. Der Erblasser hatte dem Bevollmächtigten damit die Möglichkeit gegeben, jede Rechtshandlung vorzunehmen, die auch der Erblasser hätte vornehmen können. Daraus schloss das Gericht, dass die Bevollmächtigten auch in der Lage waren, den Nacherbenvermerk löschen zu lassen.

Hinweis: Erweist sich eine Verfügung des Bevollmächtigten für den Nacherben als nachteilig, können sich hieraus Ansprüche des Nacherben gegen den Bevollmächtigten ergeben. Die Gültigkeit der Verfügung ist davon aber nicht betroffen.


Quelle: Hanseatisches OLG in Bremen, Beschl. v. 19.12.2024 - 3 W 26/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Erstellung des Nachlassverzeichnisses: Pflichtteilsberechtigte haben kein Recht, bei jeder Ermittlungshandlung anwesend zu sein

Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist das Ergebnis der Ermittlungen durch den erstellenden Notar. Ob und in welchem Umfang ein Pflichtteilsberechtigter bei der Erstellung bzw. bei den hierfür notwendigen Einzelschritten persönlich hinzugezogen werden muss, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG).

Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist das Ergebnis der Ermittlungen durch den erstellenden Notar. Ob und in welchem Umfang ein Pflichtteilsberechtigter bei der Erstellung bzw. bei den hierfür notwendigen Einzelschritten persönlich hinzugezogen werden muss, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG).

Die Erbin in dem vorliegenden Rechtsstreit war dazu verpflichtet worden, ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen. Nachdem die Erbin der Verpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen war, beantragte der Pflichtteilsberechtigte die Verhängung eines Zwangsgelds. Der zunächst erlassene Zwangsgeldbeschluss wurde aufgehoben, nachdem die Erbin das Verzeichnis nachgereicht hatte. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Pflichtteilsberechtigten, die er damit begründete, dass sein Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses verletzt worden sei. Darüber hinaus habe die betraute Notarin das Verzeichnis unvollständig erstellt und keine eigenen ausreichenden Ermittlungen durchgeführt.

Den Antrag des Pflichtteilsberechtigten wies das OLG jedoch zurück. Das Gericht stellte klar, dass das notarielle Nachlassverzeichnis eine Tatsachenbescheinigung des Notars über seine eigenen Ermittlungen darstelle. Ein Pflichtteilsberechtigter sei nicht berechtigt, an der gesamten Erstellung des Verzeichnisses aktiv teilzunehmen. Es würde dem Zweck eines solchen Verzeichnisses widersprechen, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Recht hätte, an jeder einzelnen Ermittlungshandlung anwesend zu sein. Eine objektive und zügige Übersicht könne auf diesem Wege nicht erstellt werden. Das Nachlassverzeichnis werde über eine öffentliche Zeugnisurkunde erstellt und sei keine Beurkundung im engeren Sinne, weshalb eine persönliche Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten nicht erforderlich sei. Darüber hinaus habe der Pflichtteilsberechtigte auch keinen generellen Anspruch auf Einsichtnahme in die beim Notar vorliegenden Unterlagen oder Kontoauszüge des Erblassers.

Hinweis: Der Pflichtteilsberechtigte kann die Vorlage von Belegen allenfalls verlangen, wenn dies ausdrücklich gerichtlich angeordnet ist.
 
 


Quelle: OLG München, Beschl. v. 03.12.2024 - 33 W 1034/24 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Leiharbeitnehmer als Streikbrecher: Klage einer Gewerkschaft scheitert an Formfehlern

Dass das Arbeitsgericht Köln (ArbG) die Klage einer Gewerkschaft abgewiesen hat, lag an formalen Gründen. Wie ein Urteil jedoch ausfiele, wenn es weder formale Mängel gegeben hätte noch unkonkrete Klageanträge gestellt worden wären, ist Kern dieses Falls. Denn dieses Urteil wäre womöglich zuungunsten für die beklagte Arbeitgeberin ausgefallen, die im Streikfall auf Leiharbeiter zurückgegriffen hatte.

Dass das Arbeitsgericht Köln (ArbG) die Klage einer Gewerkschaft abgewiesen hat, lag an formalen Gründen. Wie ein Urteil jedoch ausfiele, wenn es weder formale Mängel gegeben hätte noch unkonkrete Klageanträge gestellt worden wären, ist Kern dieses Falls. Denn dieses Urteil wäre womöglich zuungunsten für die beklagte Arbeitgeberin ausgefallen, die im Streikfall auf Leiharbeiter zurückgegriffen hatte.

Eine Verlagsgesellschaft beschäftigte neben der Stammbelegschaft von ca. 680 Arbeitnehmern regelmäßig eine größere Zahl von Leiharbeitnehmern. Als die Gewerkschaft einen Haus- und einen Gehaltstarifvertrag durchsetzen wollte, kam es in den vergangenen zwölf Monaten regelmäßig zu Streiks. Um ihren Betrieb dennoch aufrechterhalten zu können, hatte die Arbeitgeberin auf die damit aufkommenden Personalausfälle während der Arbeitskampfmaßnahmen mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern reagiert. Das wollte sich die Gewerkschaft nicht bieten lassen. Sie wollte der Arbeitgeberin durch das ArbG in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes untersagen lassen, im bestreikten Betrieb Leiharbeitnehmer zu beschäftigen. Das begründete sie mit der Verbotsregelung in § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Demnach darf der Entleiher Leiharbeitnehmer nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist. Dieses Verbot gelte nur dann nicht, wenn sichergestellt sei, dass durch die Leiharbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar Tätigkeiten von Streikenden übernommen werden. Die Gewerkschaft berief sich hier darauf, dass die Organisation der Arbeitgeberin keine strikte Trennung zwischen den Aufgaben der Stammbelegschaft und denen der Leiharbeitnehmer zuließ.

Das ArbG wies die Klage jedoch als unzulässig ab - die Gründe dafür waren allerdings formale Mängel und insbesondere die zu unbestimmten Klageanträge. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung jedoch, dass der Gewerkschaft auf Grundlage des § 11 Abs. 5 AÜG grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zustehen kann, wies in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass dies durchaus umstritten sei.

Hinweis: Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden, was sehr wahrscheinlich ist.


Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 13.12.2024 - 19 Ga 86/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Arbeitszeiterfassung für Hausangestellte: EuGH erlaubt Ausnahme nur, wenn Einhaltung der Höchstarbeitszeit anderweitig garantiert werde

Wer in seinem Betrieb noch keine Arbeitszeiterfassung installiert hat, sollte sich hierüber schnell konkrete Gedanken machen. Die folgende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einer in Spanien beschäftigten Hausangestellten zeigt, dass allen Angestellten in der EU die Möglichkeit gegeben werden muss, ihre geleisteten Arbeitsstunden nachverfolgen und eventuelle Überstunden geltend machen zu können.

Wer in seinem Betrieb noch keine Arbeitszeiterfassung installiert hat, sollte sich hierüber schnell konkrete Gedanken machen. Die folgende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einer in Spanien beschäftigten Hausangestellten zeigt, dass allen Angestellten in der EU die Möglichkeit gegeben werden muss, ihre geleisteten Arbeitsstunden nachverfolgen und eventuelle Überstunden geltend machen zu können.

In Spanien sind bestimmte Arbeitgeber - darunter Privathaushalte - von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung befreit. Als eine in Vollzeit beschäftigte Hausangestellte die Bezahlung von Überstunden erhalten wollte, scheiterte sie mit ihrer Forderung in der gerichtlich ersten Instanz, weil sie die Überstunden schlichtweg nicht nachweisen konnte. Die zweite Instanz bezweifelte daher, dass die Befreiung der Arbeitszeiterfassung mit EU-Recht vereinbar sei, und befragte hierzu den EuGH.

Der EuGH urteilte, dass nationale Regelungen zwar Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vorsehen können - beispielsweise wegen der Größe des Arbeitgebers oder dessen Tätigkeitsbereichs. Dies gelte aber nur, wenn gewährleistet werde, dass die betroffenen Mitarbeiter die wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht überschreiten. Die hier infrage stehende spanische Regelung sei daher europarechtswidrig, denn sie nehme Hausangestellten die Möglichkeit, objektiv und zuverlässig festzustellen, wie viele Stunden sie wann tatsächlich geleistet haben. Der EuGH wies interessanterweise zudem darauf hin, dass der überwiegende Anteil von Hausangestellten Frauen sei, so dass hier auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegen könne.

Hinweis: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trifft nach der Rechtsprechung praktisch jeden Arbeitgeber. Verstöße können Entschädigungsklagen wegen unzulässiger Diskriminierung nach sich ziehen. Gibt es in einem Betrieb noch immer keine Arbeitszeiterfassung, ist dieses Urteil die Aufforderung, nun endlich tätig zu werden und nicht erst auf den Gesetzgeber zu warten, nur weil es gesetzlich noch keine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gibt.


Quelle: EuGH, Urt. v. 19.12.2024 - C-531/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Kostentragungspflicht: Unwahre Angaben können auch in einem Erbscheinsverfahren empfindliche Folgen haben

Das Gesetz sieht vor, dass in einem Erbscheinsverfahren das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen kann. Es kann dabei auch einem Beteiligten die Verfahrenskosten vollständig auferlegen, wenn er zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat. Diese gesetzliche Regelung war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Das Gesetz sieht vor, dass in einem Erbscheinsverfahren das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen kann. Es kann dabei auch einem Beteiligten die Verfahrenskosten vollständig auferlegen, wenn er zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat. Diese gesetzliche Regelung war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Eine Miterbin hatte beim Nachlassgericht nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Sie stützte ihren Antrag auf ein vermeintlich eigenhändig geschriebenes Testament der Erblasserin. Die gesetzlichen Erben setzten sich gegen diesen Antrag im Ergebnis erfolgreich zur Wehr. Tatsächlich hatte die Miterbin den Text des Testaments selbst verfasst, während die Erblasserin nur ihre Unterschrift darunter geleistet hatte. Dennoch hatte die Antragstellerin an Eides statt versichert, dass die Erblasserin das Testament selbst geschrieben habe. Nachdem das Amtsgericht zunächst noch entschieden hatte, dass die Antragstellerin nicht die Kosten der übrigen Verfahrensbeteiligten zu tragen habe, war die hiergegen eingelegte Beschwerde erfolgreich.

Das OLG stellte fest, dass die Antragstellerin gewusst habe, dass die Erblasserin den Text nicht selbst verfasst hatte. Hätte sie von Anfang an die Wahrheit gesagt, wäre ihr Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen worden. Die dann in der Folge entstandenen Anwaltskosten der übrigen Verfahrensbeteiligten wären somit auch nicht entstanden. Nun aber musste die Antragstellerin auch deren Anwaltskosten tragen.

Hinweis: Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung stellt eine Straftat dar, weshalb der Vorgang nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben wird.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 09.01.2025 - 6 W 156/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)

Verbrüht durch Kaffeekanne: Inventar einer Ferienwohnung muss nicht ohne Anlass auf versteckte Schäden überprüft werden

So manche Urlaubserfahrung ist des Erinnerns nur wenig wert - vor allem, wenn dabei das eigene Kind verletzt wurde. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hat in diesem interessanten Fall zu Verbrühungen durch eine defekte Kaffeekanne in einer Ferienwohnung festgestellt, dass Vorsicht immer wieder vor Nachsicht stehen sollte. Denn nicht in allen Fällen kann jemand für die Folgen eines Unglücks haftbar gemacht werden.

So manche Urlaubserfahrung ist des Erinnerns nur wenig wert - vor allem, wenn dabei das eigene Kind verletzt wurde. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hat in diesem interessanten Fall zu Verbrühungen durch eine defekte Kaffeekanne in einer Ferienwohnung festgestellt, dass Vorsicht immer wieder vor Nachsicht stehen sollte. Denn nicht in allen Fällen kann jemand für die Folgen eines Unglücks haftbar gemacht werden.

Eine Familie hatte eine Ferienwohnung angemietet. Beim ersten Frühstück setzte die Mutter Kaffee in der Kaffeemaschine auf. Als sie den Kaffee zum Tisch brachte, löste sich der Henkel - die Kanne kippte nach vorn. Der heiße Kaffee verbrüht den Oberkörper und die Arme der sechsjährigen Tochter, die mit schweren Verbrühungen durch einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden musste. Dauerhafte Narben im Brustbereich bleiben die sichtbaren Folgen. Die Tochter, vertreten von ihren Eltern, verlangte nun Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz. Die Kaffeekanne solle schon bei Übernahme der Wohnung defekt gewesen sein, Geld erhielt das Mädchen vom OLG dennoch nicht zugesprochen.

Geht während des Aufenthalts in einer Ferienwohnung eine Kaffeekanne kaputt und erleidet hierdurch jemand schwere Verbrühungen, haftet die Vermieterin grundsätzlich sogar ohne eigenes Verschulden. Dies gilt allerdings nur für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorliegen. Genau das konnte das Mädchen bzw. konnten dessen Eltern allerdings nicht beweisen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte keine Reparaturspuren an der Kanne feststellen. Es stand auch nicht fest, ob die Kanne bereits bei Vertragsschluss Schäden durch Verschleiß oder einen Produktmangel aufwies, der zu einem vorzeitigem Verschleiß geführt habe. Schließlich war nicht mehr aufzuklären, in wessen Verantwortungsbereich die Schadensursache gelegen habe. Denn der Vermieterin könne nicht zugemutet werden, die Einrichtungsgegenstände der Ferienwohnung anlasslos auf versteckte Schäden zu überprüfen.

Hinweis: Ferienwohnungen sollten nur mit sicheren elektronischen Geräten zur Verfügung gestellt und vermietet werden. Wie wichtig ein schriftlicher Mietvertrag unter Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist, zeigt dieser Fall.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 25.11.2024 - 9 U 40/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)